26.03.2020
Auswirkungen im Insolvenz- und Gesellschaftsrecht
Wie weitreichend die wirtschaftlichen Auswirkungen auf einzelne Unternehmen tatsächlich sind, lässt sich im Moment nicht abschätzen. Auch wenn den Betroffenen schnelle, finanzielle Hilfe zur Überwindung von Liquiditätsengpässen versprochen wurde, war bislang nicht geklärt, wie sich Unternehmen in der Übergangszeit, d.h. zwischen Antragstellung und Auszahlung von Darlehen, Vorschüssen und Entschädigungsleistungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG), verhalten sollen. Das Problem ist, dass Unternehmen verpflichtet sind, bei Zahlungsunfähigkeit unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen. Diese Pflicht ist straf- und haftungsbewährt. Vor allem für geschäftsführende Organe der Gesellschaften ist das ein schmaler Grat in Bezug auf die drohenden Strafbarkeits- und Haftungsrisiken.
Die jüngsten Bestrebungen des Gesetzgebers treffen auf unsere Zustimmung:
Welche Regelungen trifft das Gesetz zur Insolvenzantragspflicht?
Die Insolvenzantragspflicht und die Zahlungsverbote werden bis zum 30.09.2020 ausgesetzt. Das gilt nicht, wenn die Insolvenz nicht auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht oder wenn keine Aussicht auf die Beseitigung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit besteht. Der Betroffene muss diese Umstände nachweisen. Das Gesetz hilft dem Betroffenen in diesem Punkt: War der Schuldner am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig, so wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruht und die bestehende Zahlungsunfähigkeit perspektivisch beseitigt werden kann (Vermutensregelung).
Haftungsbeschränkung für handelnde Organe
Die Aussetzung der Antragspflicht bewirkt eine Haftungsbeschränkung für die geschäftsführenden Organe. Der Hintergrund ist folgender: In der Regel sind die handelnden Organe gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, Zahlungen zu ersetzen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gleichwohl erfolgen. Das gilt nicht für solche Zahlungen, die „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind”. In der derzeitigen Krise gelten nun per Gesetz auch Zahlungen zur Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder zur Umsetzung von Sanierungskonzepten als „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar“. Die positive Folge ist, dass handelnde Organe hinsichtlich solcher Zahlungen gegenüber der Gesellschaft nicht in der Haftung stehen.
Neue Anreize für Liquiditätsspritzen auf Gesellschafterebene
Durch das Gesetz werden Gesellschaftern Anreize geboten, der Gesellschaft mittels Gesellschafterdarlehen die erforderliche Liquidität zuzuführen, ohne auf staatliche Unterstützungsleistungen zurückgreifen zu müssen. Bislang ist es so, dass Darlehen von Gesellschaftern oder wirtschaftlich vergleichbare Zahlungen an die Gesellschaft im Falle der Insolvenz hinter allen anderen (Insolvenz-)Forderungen zurückstehen und nur nachrangig berücksichtig werden (sog. Rangrücktritt). Diese speziellen Regelungen finden für die Dauer dieser Übergangsregelung keine Anwendung. Wir können Ihnen daher nur zuraten, diese Möglichkeit zu nutzen und die Gesellschaft in Eigenregie kurzfristig mit Liquidität auszustatten.
Unser Tipp: Sparen Sie wertvolle Zeit, die zwischen Antragsstellung und Auszahlung der Kredite, staatlicher Hilfen oder Entschädigungsleistungen nach dem IfSG vergeht!
„Präsenzlose“ Beschlussfassung – Beschlussfassung trotz Versammlungsverbot
Erfreulicherweise hat die Regierung nach Erlass des Versammlungsverbotes schnell reagiert, um dessen Auswirkungen für die Gesellschaften zu beschränken, die auf die Durchführung von Gesellschafter‑, Haupt – oder Mitgliederversammlungen zwingend angewiesen sind, um handlungsfähig zu bleiben und Beschlüsse fassen zu können. So sieht das Gesetz eine vorübergehende Erleichterung in Bezug auf die teils strengen gesetzlichen oder satzungsrechtlichen Formvorschriften zur Beschlussfassung vor. Die Durchführung von Gesellschafterversammlungen in der GmbH oder auch Mitgliederversammlungen in Vereinen und Genossenschaften werden im Sinne einer „präsenzlosen“ Versammlung erleichtert. So können beispielsweise Beschlüsse in betroffenen GmbHs in Abweichung von § 48 Abs. 2 GmbHG in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden. Ähnliche Regelungen gelten auch bei anderen Rechtsformen. Die vorübergehenden Regelungen gelten für Versammlungen und Beschlüsse im Jahr 2020.
Geltungsdauer der Gesetzesänderung
Die Änderungen im Insolvenzrecht treten ab dem 01.03.2020 in Kraft und mit Ablauf des 31.03.2021 außer Kraft. Die Änderungen im Gesellschaftsrecht treten am Tag nach der Verkündung in Kraft und treten mit Ablauf des 31.12.2021 außer Kraft.
Patrick Müller
Rechtsanwalt
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