30.04.2020
Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz — Wir beantworten die wichtigsten Fragen
Derzeit treibt viele Unternehmer die Frage um ob bzw. wie sie eine Entschäd…
30.04.2020
Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz — Wir beantworten die wichtigsten Fragen
Derzeit treibt viele Unternehmer die Frage um ob bzw. wie sie eine Entschädigung erhalten, wenn sie aufgrund der Allgemeinverfügungen bzw. Verordnungen den Betrieb schließen müssen bzw. bereits schließen mussten, wie beispielsweise Gaststätten, Fitnessstudios, Spielhallen, etc.
Das Infektionsschutzgesetz sieht in §§ 56 sowie 65 IfSG grundsätzlich die Möglichkeit einer Entschädigung bei Betriebsschließungen vor. Die Frage, ob aufgrund der Allgemeinverfügungen bzw. Verordnungen zu entschädigen ist, ist unter Juristen umstritten.
Die derzeitige Situation ist nicht nur für Bürger, sondern auch für die Behörden und Gerichte neu und somit weitestgehend ungeklärt, auf welche finanziellen Hilfen Selbstständige, Freiberufler und Arbeitnehmer/-geber zählen können, welche von den Allgemeinverfügungen bzw. Verordnungen betroffen sind.
Sollte ein Antrag gestellt werden?
Diese Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen. Aufgrund der derzeit rechtlich unklaren Situation sowie dem Umstand, dass nicht absehbar ist, wie die Behörden bzw. Gerichte die Frage bzgl. der Entschädigung entscheiden werden, erscheint es aus unserer Sicht durchaus sinnvoll, einen Antrag zu stellen. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Kosten, sofern überhaupt welche anfallen, überschaubar sind.
Wir empfehlen an dieser Stelle jedoch einen Anwalt bei der Beantragung hinzuzuziehen, um Fehler bei der Beantragung zu vermeiden.
Sollten bei der Antragstellung Fehler unterlaufen, bestehen nicht unerhebliche Risiken angefangen vom Verlust des Anspruchs bis hin zum Risiko der Begehung einer Straftat.
Wo Sie die Anträge finden können
Dies ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Sachsen finden Arbeitgeber hier den Antrag nach § 56 IfSG und Selbstständige hier.
In den anderen Bundesländern werden die Anträge in der Regel bei Google angezeigt, wenn nach „Antrag auf Entschädigung § 56 IfSG“ gesucht wird. Für die Entschädigung gem. § 65 IfSG existiert derzeit kein Formular.
Beachten Sie, dass teilweise in den einzelnen Bundesländern bereits keine formularmäßigen Anträge für die Entschädigung nach § 56 IfSG existieren bzw. diese nicht vollständig sind, d.h. bestimmte Ansprüche werden nicht berücksichtigt, so unter anderem auch in Sachsen. In der Folge ist der Antrag gegebenenfalls formlos zu stellen.
Fristen für die Antragstellung
Der Antrag muss innerhalb von 3 Monaten nach Einstellung der Tätigkeit bzw. nach Ende der Absonderung, d.h. nach Ende der Maßnahme, bei der zuständigen Behörde gestellt werden. Wir empfehlen an dieser Stelle aus anwaltlicher Vorsicht den Antrag innerhalb von 3 Monaten ab Beginn der erstmaligen Einschränkung zu stellen.
Unterschied der Anträge
Bei den Anträgen nach § 56 Infektionsschutzgesetz sowie § 65 Infektionsschutzgesetz handelt es sich um zwei unterschiedliche Anträge, deren Voraussetzungen unterschiedlich sind.
Während der Antrag nach § 56 Infektionsschutzgesetz unter anderem eine Einordnung als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, krankheitsverdächtiger oder sonstiger Träger von Krankheitserregern voraussetzt, stellt § 65 Infektionsschutzgesetz auf eine Maßnahme nach §§ 16 und 17 des Infektionsschutzgesetzes ab.
Vor dem Hintergrund, dass die Antragsfrist lediglich 3 Monate beträgt und derzeit noch unklar ist, ob und, wenn ja, auf Grundlage welcher der beiden Normen die Entschädigung gewährt wird, sollte eine Entschädigung nach beiden Vorschriften beantragt werden.
In keinem Fall sollte man sich an dieser Stelle dadurch verunsichern lassen, dass die Voraussetzungen dem Wortlaut nach nicht vorliegen oder die Zuständige Stelle auf weitere „Voraussetzungen“ hinweist. Die Informationen, welche sich auf den Internetseiten der zuständigen Stelle sowie zum Teil auf den Anträgen befinden oder auch telefonisch von den Mitarbeitern erteilt werden, sind teilweise falsch.
Verwaltungskosten für die Antragstellung
Ob und in welcher Höhe Verwaltungskosten erhoben werden ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Die Kostenregelungen sind Ländersache, so dass dies von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich gehandhabt wird.
Möglichkeiten nach Ablehnung des Antrags
Sollte der Antrag abgelehnt werden, so ist der Anspruch vor den Zivilgerichten geltend zu machen. Bitte beachten Sie, dass die Streitwerte in der Regel so hoch sein dürften, dass die Klage bei den Landgerichten erhoben werden muss, bei welchen Anwaltszwang besteht.
Kosten anwaltlicher Beratung und Vertretung
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, die Kosten für die Vorbereitung des Antrags ganz oder teilweise durch die Rechtsschutzversicherungen erstattet zu bekommen. Auch die anschließende Durchsetzung des Anspruchs vor Gericht wird in der Regel von den Rechtsschutzversicherungen übernommen.
Kosten anwaltliche Beratung bei Mittellosigkeit
Darüber hinaus gibt es grundsätzlich auch für Personengesellschaften (z.B. GbR, OHG sowie KG) sowie für juristischen Personen (z.B. GmbH, AG, …), dort jedoch nur durch den Insolvenzverwalter, die Möglichkeit einen Beratungshilfeschein und sodann Prozesskostenhilfe zu beantragen und zu erhalten, so dass nicht aufgrund der Mittellosigkeit auf die Rechtsverfolgung und anwaltliche Beratung bzw. anwaltlichen Beistand verzichtet werden muss.
Als Ansprechpartner stehen Ihnen Frau Rechtsanwältin Ann-Kathrin Abt und Herr Rechtsanwalt Patrick Müller gern zur Verfügung.
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24.04.2020
Schließung größerer Geschäfte rechtswidrig!?
Das Verwaltungsgericht Hamburg hat entschieden, dass die Öffnung kleinerer Läden und die Schließung aller Läden, welche größer als 800 m² sind, rechtswidrig ist.
Zu beachten ist hierbei, dass dies nur für den Antragsteller des Verfahrens gilt und keinen „Freischein“ für alle Geschäftsinhaber mit einem Geschäft größer als 800 m² darstellt. Vielmehr muss sich grundsätzlich jeder Geschäftsinhaber selbst gegen die entsprechende Verordnung wehren und hiergegen vorgehen.
In Hamburg wurde, wie auch bereits in vielen anderen Bundesländern, die Öffnung kleinerer Geschäfte erlaubt, während Geschäfte mit einer Größe von über 800 m² geschlossen bleiben müssen.
Das Verwaltungsgericht Hamburg hatte nunmehr über die Frage zu entscheiden, ob der Antragsteller der Schließungsanordnung, welche in der Verordnung enthalten ist, Folge leisten muss.
Dies wurde durch das Verwaltungsgericht Hamburg abgelehnt. Danach kann der Geschäftsinhaber sein Geschäft – unter Beachtung der Hygieneauflagen – wieder öffnen und muss der Schließungsanordnung nicht Folge leisten.
Das Gericht hat sich dahingehend positioniert, dass die Öffnung kleinerer Läden unter 800 m² und die Schließung der größeren Läden nicht zur Umsetzung des Zwecks geeignet sind, welcher mit der Maßnahme erreicht werden soll. Die Differenzierung nach der Größe der Verkaufsfläche sei nicht geeignet, einen infektionsschutzrechtlichen Zweck zu erreichen. Der Behauptung des Landes, dass größere Läden eine höhere Anziehungskraft für potentiellen Kunden ausübten und somit mehr Menschen in die Innenstadt kämen und dazu noch den öffentlichen Personennahverkehr benutzten, läge keine Tatsachenbasis zugrunde.
Darüber hinaus ging das Gericht von einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG aus. Die Größe der Verkaufsfläche stellt nach zutreffender Ansicht des Verwaltungsgerichts kein geeignetes Differenzierungskriterium dar, um eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.
Geschäftsinhaber von größeren Läden oder Betreiber von Einkaufspassagen bzw. Einkaufscentern sollten darüber nachdenken, ebenfalls rechtlich gegen die Schließung der Geschäfte vorzugehen. Dies empfiehlt sich insbesondere auch vor dem Hintergrund evtl. bestehender Amtshaftungsansprüche und damit verbunden der Verpflichtung zur Minimierung des Schadens.
Als Ansprechpartner stehen Ihnen Frau Rechtsanwältin Ann-Kathrin Abt und Herr Rechtsanwalt Carsten Rüger gern zur Verfügung.
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19.03.2020
Aufwendige Ausschreibung für dringend benötigte Waren/Leistungen in Zeiten des Coronavirus?
Grundsätzlich nein!
In der derzeitigen Situation, in welcher Leistungen und Waren (bspw. medizinisches Gerät, Schutzbekleidung für medizinisches Personal, Desinfektionsmittel, etc.) schnellstmöglich beschafft werden müssen, um Engpässe zu verhindern, stellt sich die Frage, wie damit aus vergaberechtlicher Sicht umzugehen ist.
Die Vergabeverordnung sieht in § 14 VgV, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, grundsätzlich die Möglichkeit vor, ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchzuführen (d.h. der Auftraggeber kann sich an Unternehmen wenden und mit diesen direkt in Verhandlungen treten), wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, welche der Auftraggeber nicht vorhersehen konnte, die Einhaltung der Mindestfristen nicht zulassen und die Umstände, welche zur Dringlichkeit geführt haben, dem Auftraggeber nicht zuzurechnen sind.
Bei der Corona-Pandemie handelt es sich um einen äußerst dringlichen und zwingenden Grund, welcher für den Auftraggeber nicht vorhersehbar gewesen sein dürfte. Insoweit dürfte dem Auftraggeber auch nicht entgegengehalten werden können, dass mit einer verkürzten Angebotsfrist ein Vergabeverfahren hätte durchgeführt werden müssen, denn auch dieses nimmt einen erheblichen Zeitraum in Anspruch (Angebotsfrist 10 Tage, Unterrichtung der unterlegenen Bieter 10 Tage vor Erteilung des Zuschlags).
Beispiel: Aufgrund der aktuellen Situation wird dringend Schutzbekleidung benötigt. Die vorhandenen Schutzbekleidungen reichen nicht mehr wie geplant für 6 Monate, sondern nur noch maximal 1 Woche. Der öffentliche Auftraggeber muss nun nicht erst ein aufwändiges Vergabeverfahren durchführen. Auch die Errichtung von Containerkrankenhäusern ist auf diese Weise vergaberechtlich gesehen grundsätzlich denkbar, wenn die Kapazität der vorhandenen Krankenhäuser überschritten ist und auf einen andere Weise keine schnelle Erhöhung der zur Verfügung stehenden Betten zur Behandlung von Infizierten oder Intensivpatienten möglich ist.
ACHTUNG! Dies betrifft jedoch nur Leistungen, welche dringend benötigt werden. Für alle weiteren Leistungen gilt, dass die Durchführung des Vergabeverfahrens auch weiterhin erforderlich ist, wenn nicht aufgrund gesetzlicher Regelungen ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zulässig ist.
Sollten Sie vergaberechtliche Fragen haben, stehen Ihnen Herr Rechtsanwalt Bernd Morgenroth sowie Frau Rechtsanwältin Ann-Kathrin Abt gern zur Verfügung.
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17.03.2020
Finanzierungshilfen für „Corona-infizierte“ Unternehmen
Ob Lieferengpässe oder Forderungsausfälle – die wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus bekommen sächsische Unternehmen bereits heute zu spüren. Das Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr verweist unmittelbar und mittelbar betroffene Unternehmen im Freistaat auf die installierten Fördermöglichkeiten, bspw. zinssubventionierte Liquiditätshilfedarlehen oder staatliche Bürgschaften.
In Zusammenarbeit mit der Sächsischen Aufbaubank (Förderbank) stellt diese im Rahmen ihres Förderprogramms „Gründungs- und Wachstumsfinanzierung sowie Liquiditätsmaßnahmen (GuW)“ zinsverbilligte Darlehen bis zu 2,5 Millionen Euro je Einzelfall als „Corona Hilfe“ im Gebiet Sachsen zur Verfügung. Die SAB hat lt. Mitteilung vom 11.03.2020 eine kostenfreie Beraterhotline (0351/4910–1100) eingerichtet.
Das Sächsische Finanzministerium verweist in seiner am 09.03.2020 veröffentlichten Stellungnahme auf steuerliche Hilfsangebote seitens der sächsischen Finanzverwaltung. So können lt. Finanzminister Hartmut Vorjohann betroffene Unternehmen beim zuständigen Finanzamt einen Antrag auf Herabsetzung oder Aussetzung der laufenden Vorauszahlungen zur Einkommenssteuer bzw. Körperschaftssteuer stellen. Es bestünden Möglichkeiten, fällige Steuerzahlungen zu stunden oder Säumniszuschläge zu erlassen. „Mit diesen bereits vorhandenen Instrumenten können wir einen Beitrag leisten, Unternehmen ein Stück weit vor Liquiditätsengpässen zu bewahren“, so Finanzminister Hartmut Vorjohann.
Wir prüfen für Sie, ob die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der staatlichen Finanzierungshilfen erfüllt sind und stehen Ihnen beratend und unterstützend zur Seite.
Entschädigungen für Selbstständige auf Grund eines Tätigkeitsverbotes
Mit dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) hat der Gesetzgeber eine Entschädigung für Verdienstausfälle aufgrund eines Tätigkeitsverbotes geregelt (§ 56 IfSG). Auch Selbstständige können bei der Landesdirektion Sachsen (Referat 21 in Chemnitz) einen Antrag auf Entschädigung stellen, auch wenn die Vorschrift zunächst wegen des in § 56 Abs. 3 IfSG definierten Begriffs des Verdienstausfalls im Sinne des „Netto-Arbeitsentgelts“ für Verwirrung sorgt.
Als Berechnungsgrundlage bei Selbstständigen wird ein Zwölftel des Arbeitseinkommens im Sinne des § 15 SGB IV zu Grunde gelegt, d.h. der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Im Übrigen können Selbstständige neben der Entschädigung auf Antrag Ersatz der in dieser Zeit nicht gedeckten Betriebsausgaben in einem angemessenen Umfang erhalten. Inwieweit die durch Art. 1 des Masernschutzgesetzes am 10.02.2020 kurzfristig in § 56 Abs. 1 IfSG eingefügte Ausschlussregelung ein Problem darstellt und Mitarbeiter zur hysterisch anmutenden Übervorsicht veranlasst werden, bleibt abzuwarten. Denn danach erhält derjenige keine Entschädigung i. S. des § 56 Abs. 1 IfSG, wer ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe hätte vermeiden können.
Kurzarbeit im Kampf gegen Corona
Ziel der Bundesregierung ist es, in einem beschleunigten Gesetzgebungsverfahren die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld abzusenken und das Leistungspaket zu erweitern. Die Neuregelungen werden voraussichtlich Anfang April 2020 in Kraft treten und als Antagonist im Kampf gegen das Coronavirus die ausfallbedingten Engpässe und die wirtschaftliche Mehrbelastung durch Entgeltfortzahlung abfedern.
So sollen Unternehmen bereits ab einer Zugangsschwelle von 10 % der vom Arbeitsausfall betroffenen Beschäftigten einen Antrag auf Kurzarbeit stellen können. Arbeitgeber sollen laut Beschluss des Koalitionsausschusses durch die Bundesagentur für Arbeit vollständig von der Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge entlastet werden. Auch Leiharbeitsbranchen profitieren von der Neuregelung: Kurzarbeitergeld soll befristet für Leiharbeiternehmer bezahlt werden, wohingegen Kurzarbeit in dieser Branche wegen des Arbeitsausfalls bislang als „übliches Risiko“ galt.
Patrick Müller
Rechtsanwalt
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