16.04.2020
Coronavirus, Bauvertrag sowie die sich daraus ergebenden Probleme
Die meisten Verträge arbeiten mit Ausführungsfristen und Vertragsstrafen im Falle der Nichteinhaltung der Fristen.
Sind die Unternehmen allerdings aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen oder die Mitarbeiter unter Quarantäne gestellt, so kann dies zu einer erheblichen zeitlichen Verzögerung von Bauvorhaben führen. Eine solche Verzögerung ist auch aufgrund von Lieferengpässen möglich, welche durch die Pandemie eintreten.
a) Mitarbeiter oder der Betrieb stehen unter Quarantäne und/oder es kommt zu Lieferengpässen
Im Verhältnis zwischen Bauherr und Auftragnehmer ist bei VOB/B — Verträgen zunächst zu beachten, dass der Auftragnehmer unverzüglich eine schriftliche Behinderungsanzeige an den Bauherrn richten muss. Diese muss er entsprechend begründen (Mitarbeiter in Quarantäne und keine anderweitige Personalbeschaffung möglich, Ausfall der Lieferung, Betrieb vom Gesundheitsamt geschlossen, etc.). Nach Wegfall der hindernden Gründe muss der Auftragnehmer die Arbeiten unverzüglich wieder aufnehmen und den Bauherrn davon unterrichten.
Zu beachten ist hierbei jedoch: Je größer das Unternehmen, umso schwieriger gestaltet sich die Begründung. In großen Unternehmen kann die Leistung grundsätzlich auch von anderen Angestellten erbracht werden, wenn nicht gerade die Ausführung durch namentlich benannte Personen vereinbart wurde. Schwierigkeiten dürften sich hier insbesondere dahingehend stellen, welche Baustelle bevorzugt zu behandeln ist. Verfügt das Unternehmen z.B. über 5 Baustellen und 30 Mitarbeiter, stehen davon jedoch 15 Mitarbeiter unter Quarantäne, so stellt sich die Frage, ob dies ausreichend ist um eine Behinderung zu begründen.
Letztlich ist diese Frage bisher nicht geklärt. Dies sollte jedoch in keinem Fall dazu führen, dass eine Behinderungsanzeige nicht verfasst wird. Vielmehr muss diese dennoch erfolgen, um nicht den negativen Auswirkungen einer fehlenden Behinderungsanzeige (keine Verlängerung der Ausführungsfristen, Vertragsstrafe bzw. Schadensersatz, etc.) ausgesetzt zu sein.
Grundsätzlich gilt jedoch, dass die Probleme auf die Folgen der Corona-Pandemie zurückzuführen sein müssen. Hat der Auftragnehmer bei der Materialplanung Fehler gemacht oder vergessen, rechtzeitig und ausreichend zu bestellen, so ist dies kein Grund für eine entschuldigte Unterbrechung der Arbeiten. Auch die Angst, sich auf der Baustelle anzustecken oder eventuell später keine Vergütung zu erhalten, berechtigt nicht dazu, die Arbeiten zu unterbrechen.
Hinsichtlich der Vergütung sollte geprüft werden, ob eine Bauhandwerkersicherung verlangt werden kann und, sofern dies der Fall ist, diese Variante genutzt werden, um die Vergütungsansprüche zu sichern.
b) Möglichkeit der Vertragsanpassung aufgrund der Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB
Grundsätzlich handelt es sich bei den Regelungen, welche eine Vertragsanpassung ermöglichen, um Ausnahmeregelungen, welche nur in Ausnahmefällen greifen sollen.
Um diesen Ausnahmencharakter nicht zu unterlaufen, besteht die Möglichkeit eine Anpassung des Vertrages zu verlangen nur in wenigen Ausnahmefällen. Auch vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation ist davon auszugehen, dass die Rechtsprechung nicht für eine Vielzahl von Verträgen eine Vertragsanpassung ermöglichen wird.
Von der Rechtsprechung wurden grundsätzlich auch größere Preissteigerungen der Risikosphäre des Auftragnehmers zugerechnet. Der Bundesgerichtshof hat eine starre Grenze abgelehnt und stellt auf den jeweiligen Einzelfall ab. Dabei stellte er klar, dass ein Festhalten an der Preisvereinbarung häufig nicht mehr zumutbar sein dürfte, wenn nicht nur der zu erwartende Gewinn aufgezehrt, sondern darüber hinaus das unveränderte Festhalten am Vertrag auch noch zu einem Verlust führen würde.
Wir empfehlen vor diesem Hintergrund zunächst ein Gespräch mit dem Vertragspartner, welche Möglichkeiten dieser in Anbetracht bestehender (und für jeden nachvollziehbarer) Schwierigkeiten sieht. Die Erfahrung zeigt, dass es hier nicht unbedingt ratsam ist, sofort auf der rechtlichen Ebene zu argumentieren. Etliche Unternehmen sind an dieser Stelle bei persönlichen Gesprächen durchaus eher bereit, dem Auftragnehmer entgegen zu kommen.
Gleichwohl gilt: sollte ein derartiges Gespräch fruchtlos verlaufen, sollte der Kontakt zu einem Anwalt gesucht werden, um die rechtlichen Möglichkeiten auszuloten.
c) Vertragsstrafen bei Nichteinhaltung der Ausführungsfristen
Grundsätzlich muss nicht befürchtet werden, dass eine Vertragsstrafe gezahlt werden muss, wenn vertraglich vereinbarte Ausführungsfristen nicht eingehalten werden können. Bereits unter normalen Umständen gestaltet sich die Durchsetzung von Vertragsstrafen äußerst schwierig.
Vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation wird man wohl davon ausgehen können, dass es sich um einen Fall höherer Gewalt handelt, mit der Folge, dass Ausführungsfristen entsprechend zu verlängern sind und eine Vertragsstrafe/ein Schadensersatz mithin nicht zu zahlen ist. Auch hier ist jedoch Vorsicht geboten und genau zu prüfen, worauf die Nichteinhaltung der Ausführungsfristen zurückzuführen sind.
d) Auswirkungen bei einem BGB-Vertrag
Bei BGB Bauverträgen gilt im Ergebnis bezüglich Vertragsstrafen sowie Ausführungsfristen grundsätzlich das gleiche. Bei dem Ausbruch einer Pandemie handelt es sich letztlich um einen Umstand, welchen der Schuldner nicht zu vertreten hat. In der Folge werden auch hier die Verzugsfolgen (Vertragsstrafe aufgrund Nichteinhaltung der Frist) sowie die Folgen bei Lieferengpässen nur eintreten, wenn der Auftragnehmer hier falsch geplant oder zu wenig/zu spät bestellt hat.
e) Kündigung von Verträgen aufgrund der Corona-Pandemie
Auch eine Kündigung von Verträgen ist nicht ohne weiteres möglich. Ob eine Kündigung des Bauvertrages erfolgen kann, muss im Einzelfall geprüft werden. Grundsätzlich kann im VOB/B Vertrag eine Kündigung ausgesprochen werden, wenn eine Unterbrechung der Bauausführung länger als 3 Monaten andauert. Aufgrund der Folgen, welche mit einer Kündigung, gleich ob außerordentliche oder ordentliche Kündigung einhergehen, sollte dieser Schritt jedoch vorher dringend mit einem Anwalt besprochen werden. Ist die Kündigung einmal ausgesprochen gibt es rechtlich gesehen „kein zurück“ mehr.
Bitte beachten Sie, dass dies nur einen groben Überblick darstellt und eine Prüfung in jedem Einzelfall gesondert erfolgen sollte, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass vertragliche Regelungen sowie Besonderheiten im jeweiligen Einzelfall keine Berücksichtigung finden können.
Sollten Sie ein baurechtliches Problem haben (auch unabhängig vom Coronavirus), stehen Ihnen als Ansprechpartner im Bereich Privates sowie Öffentliches Baurecht Herr Rechtsanwalt Bernd Morgenroth und Frau Rechtsanwältin Ann-Kathrin Abt gern zur Verfügung.
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