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RAT VOM FACH­AN­WALT: REMONS­TRA­TI­ONS­PFLICHT BEI MEDI­ZI­NI­SCHEN ANORDNUNGEN

Medizinrecht Ratgeber Recht

Was tun, wenn ich mit der ärzt­li­chen Behand­lung nicht zufrie­den bin?
Ihre Rech­te als Pati­en­tin oder Pati­ent bei Behand­lungs­feh­lern und feh­ler­haf­ten Ent­schei­dun­gen in der Klinik

Wenn Sie nach einer medi­zi­ni­schen Behand­lung unzu­frie­den sind, kann dies vie­le Grün­de haben: Sie füh­len sich nicht ernst genom­men, Ihre Beschwer­den wur­den nicht hin­rei­chend beach­tet – oder im schlimms­ten Fall hat die Behand­lung zu gesund­heit­li­chen Schä­den geführt. In beson­ders schwe­ren Fäl­len kann sogar ein Behand­lungs­feh­ler vor­lie­gen. Doch was kön­nen Sie als Pati­ent oder Ange­hö­ri­ger tun?

  1. Klä­rung mit den behan­deln­den Ärzten

Der ers­te Schritt soll­te stets ein klä­ren­des Gespräch mit der behan­deln­den Ärz­tin oder dem behan­deln­den Arzt oder der Kli­nik­lei­tung sein. Häu­fig las­sen sich Miss­ver­ständ­nis­se so früh­zei­tig auf­klä­ren. Bit­ten Sie um eine Ein­sicht in die Pati­en­ten­ak­te – dazu haben Sie nach § 630g BGB grund­sätz­lich ein Recht.

  1. Ein­schal­tung einer unab­hän­gi­gen Stelle

Wenn Sie den Ver­dacht haben, dass ein Behand­lungs­feh­ler vor­liegt, kön­nen Sie sich an die Schlich­tungs­stel­len der Lan­des­ärz­te­kam­mern oder Ihre Kran­ken­kas­se wen­den. Dort erhal­ten Sie kos­ten­freie Hil­fe und Ein­schät­zun­gen zu Ihren recht­li­chen Mög­lich­kei­ten. Gern unter­stüt­zen wir Sie auch dabei.

  1. Juris­ti­sche Schrit­te bei Behandlungsfehlern

Ein Behand­lungs­feh­ler liegt vor, wenn ein Arzt gegen medi­zi­ni­sche Stan­dards ver­sto­ßen hat und Ihnen dadurch ein gesund­heit­li­cher Scha­den ent­stan­den ist. In einem beson­ders tra­gi­schen Fall ent­schied ein Ober­lan­des­ge­richt, dass bereits die Ver­wen­dung eines unge­eig­ne­ten Spül­mit­tels (destil­lier­tes Was­ser) im Rah­men einer gynä­ko­lo­gi­schen Ope­ra­ti­on als grob fahr­läs­si­ger Behand­lungs­feh­ler zu wer­ten war, der zum Tod der Pati­en­tin führte.

In die­sem Fall ging es um das Ver­säum­nis meh­re­rer Ärz­te, auf eine ris­kan­te Behand­lungs­wei­se hin­zu­wei­sen und die­ser zu wider­spre­chen. Damit stellt sich eine zen­tra­le recht­li­che Fra­ge: Haben Ärz­tin­nen und Ärz­te eine Pflicht, ärzt­li­che Anwei­sun­gen zu hin­ter­fra­gen, wenn sie Zwei­fel haben? Die Ant­wort lau­tet: Ja.

Die soge­nann­te Remons­tra­ti­ons­pflicht – Schutz­pflicht auch für Pati­en­tin­nen und Patienten

In der Medi­zin herrscht häu­fig eine strik­te Hier­ar­chie, ins­be­son­de­re in Kli­ni­ken: Chef­ärz­te, Ober­ärz­te, Assis­tenz­ärz­te – jeder hat sei­ne Rol­le. Doch gera­de in die­ser Struk­tur besteht die Gefahr, dass unter­ge­ord­ne­te Ärz­te Anord­nun­gen befol­gen, die sie eigent­lich für ris­kant oder falsch hal­ten. Des­halb gilt im Arzt­recht die Remons­tra­ti­ons­pflicht:

Jede Ärz­tin und jeder Arzt ist ver­pflich­tet, Anwei­sun­gen von Vor­ge­setz­ten zu hin­ter­fra­gen, wenn sie medi­zi­nisch nicht nach­voll­zieh­bar oder poten­zi­ell gefähr­lich sind.

Im oben geschil­der­ten Fall wur­de die­ser Pflicht nicht nachgekommen:

  • Eine Ober­ärz­tin führ­te eine risi­ko­be­haf­te­te Metho­de aus, ohne auf einer Klä­rung ihrer Beden­ken zu bestehen.
  • Eine Assis­tenz­ärz­tin über­nahm ohne eige­ne Prü­fung die Risi­ko­ein­schät­zung eines Oberarztes.

Bei­de Ärz­te wur­den dafür haft­bar gemacht. Das Gericht beton­te, dass medi­zi­ni­sche Grund­kennt­nis­se – etwa, dass destil­lier­tes Was­ser nicht in die Blut­bahn gelan­gen darf – bereits im Stu­di­um ver­mit­telt wer­den und von jedem Arzt erwar­tet wer­den müssen.

Für Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten bedeu­tet das:

Wenn eine Behand­lung nicht dem Stand der medi­zi­ni­schen Wis­sen­schaft ent­spricht, haf­tet nicht nur der anord­nen­de Chef­arzt – auch aus­füh­ren­de Ärz­te kön­nen haft­bar gemacht wer­den, wenn sie ihre Beden­ken nicht recht­zei­tig geäu­ßert haben. Die Gerich­te erken­nen in sol­chen Fäl­len gro­be Behand­lungs­feh­ler, die zu einer Beweis­last­um­kehr zuguns­ten des Pati­en­ten füh­ren: Dann muss nicht mehr der Pati­ent bewei­sen, dass ein Feh­ler gemacht wur­de – son­dern das Kran­ken­haus muss bewei­sen, dass alles kor­rekt lief.

Was Sie kon­kret tun können

  1. Sichern Sie Beweise:
    Ver­lan­gen Sie Ein­sicht in Ihre Behand­lungs­un­ter­la­gen (§ 630g BGB). Doku­men­tie­ren Sie mög­lichst genau, was wann gesagt oder getan wurde.
  2. Holen Sie ein Gut­ach­ten ein:
    Ein medi­zi­ni­sches Gut­ach­ten ist oft der zen­tra­le Beweis in einem Arzt­haf­tungs­ver­fah­ren. Die­ses kann über Ihre Kran­ken­ver­si­che­rung, über die Schlich­tungs­stel­len oder anwalt­lich orga­ni­siert werden.
  3. Wen­den Sie sich an einen Fach­an­walt für Medizinrecht:
    Die recht­li­che Bewer­tung von Behand­lungs­feh­lern ist kom­plex. Ein auf Medi­zin­recht spe­zia­li­sier­ter Anwalt kann beur­tei­len, ob ein Scha­dens­er­satz- oder Schmer­zens­geld­an­spruch besteht.
  4. Prü­fen Sie Ihre Rechtsschutzversicherung:
    Vie­le Rechts­schutz­ver­si­che­run­gen über­neh­men die Kos­ten für die Durch­set­zung von Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen aus Behandlungsfehlern.

Fazit

Wenn Sie das Gefühl haben, bei einer Behand­lung sei etwas schief­ge­lau­fen, zögern Sie nicht, Ihre Rech­te wahr­zu­neh­men. Ärz­tin­nen und Ärz­te dür­fen sich nicht blind auf Anwei­sun­gen ver­las­sen – sie haben eine Remons­tra­ti­ons­pflicht, die dem Schutz Ihrer Gesund­heit dient. Wird die­se Pflicht ver­letzt, kön­nen Sie als Pati­ent Ansprü­che gel­tend machen – nicht nur mora­lisch, son­dern auch juristisch.

 

Quel­le: OLG Köln, Urteil/Beschluss vom 27.01.2025, Akten­zei­chen: 5 U 69/24

 


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