Steuernewsletter Sonderausgabe 2/2019
Arbeitgeber aufgepasst! Neue Regelungen zu Minijobs auf Abruf und Midijobs
Aufgrund zweier Neuerungen zum 01.01.2019 bzw. 01.07.2019 ist es wichtig, dass Arbeitgeber dem Thema der Beschäftigung von Mini- und Midijobbern aktuell verstärkt ihre Aufmerksamkeit widmen. Die beiden Neuerungen werden unter den Punkten 4 und 5 erläutert. Zuvor gibt diese Information einen kurzen rechtlichen Überblick.
Der Gesetzgeber unterscheidet bei Minijobbern zwi-schen geringfügig Beschäftigten und kurzfristig Beschäftigten (also Aushilfskräfte oder auch „kurzfristige Minijobber“).
Inhaltsverzeichnis
1 Geringfügig Beschäftigte
2 Kurzfristig Beschäftigte
3 Mindestlohn
4 Minijobber auf Abruf
5 Midijobber und Übergangsbereich
1 Geringfügig Beschäftigte
Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung liegt dann vor, wenn das monatliche Arbeitsentgelt im Jahresdurchschnitt nicht mehr als 450 € beträgt. Dabei kann für den Beginn des Jahreszeitraums auch dann auf den ersten Tag eines Monats abgestellt werden, wenn die Beschäftigung im Laufe eines Kalendermonats beginnt (z.B. Beginn der Beschäftigung am 15.02., Beginn des Jahreszeitraums ab 01.02.).
Mehrere geringfügig entlohnte Beschäftigungen werden zusammengerechnet. Auf die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit kommt es bei der geringfügig entlohnten Beschäftigung an sich nicht an. Aufgrund des Mindestlohns ergibt sich jedoch eine rechnerische Obergrenze (siehe Punkt 3). Bei der kurzfristigen Beschäftigung hingegen spielt das Zeitmoment eine große Rolle (siehe Punkt 2).
Hinweis:
Die Entgeltgrenze von 450 € stellt einen Monatswert dar, wie das Bundessozialgericht entschieden hat. Daher ist, unabhängig von der Dauer der Beschäftigung, kein anteiliger Monatswert zu bilden. Dies gilt sowohl für geringfügig als auch für kurzfristig Beschäftigte.
1.1 Sozialversicherungsbeiträge
Die Ausübung einer geringfügigen neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung kann auf Antrag sozialversicherungsfrei bleiben. Werden jedoch noch weitere geringfügig entlohnte Beschäftigungen ausgeübt, so sind diese weiteren Beschäftigungen mit der Hauptbeschäftigung zusammenzurechnen und somit versicherungspflichtig.
Für den Einzug von Sozialversicherungsbeiträgen für Minijobber ist die Bundesknappschaft (Minijob-Zentrale) zuständig - auch wenn der Arbeitnehmer bei einer anderen gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist. Die Umlagen und die 2%ige Pauschsteuer (siehe Punkt 1.3) werden ebenfalls an die Bundesknappschaft entrichtet, die die Verteilung der Abgaben auf Kranken- und Rentenversicherung sowie Finanzverwaltung regelt.
Als Arbeitgeber müssen Sie die Abgaben fristgerecht monatlich an die Minijob-Zentrale leisten - egal, ob Sie den Verdienst an Ihren Minijobber nur jährlich, halbjährlich oder quartalsweise auszahlen. Die gesamten Abgaben für einen Minijobber sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem der Minijobber die Beschäftigung ausübt.
Die Abgaben aus einer Einmalzahlung werden in dem Monat fällig, in dem Sie das einmalige Arbeitsentgelt auszahlen. Das gilt auch dann, wenn Sie die Einmalzahlung zwar noch im laufenden Monat auszahlen, aber erst nach dem für diesen Monat gültigen Fälligkeitstermin.
1.2 Rentenversicherungspflicht
Geringfügig Beschäftigte sind der normalen Rentenver-sicherungspflicht unterworfen und müssen ihre Rentenbeiträge selbst auf die normale Höhe aufstocken, sofern sie nicht ausdrücklich darauf verzichten.
Der Arbeitgeberanteil an der Rentenversicherung beträgt 15 % vom Lohn in der gewerblichen Wirtschaft und 5 % vom Arbeitsentgelt für Minijobber in Privathaushalten. Der Arbeitnehmeranteil beträgt in der gewerblichen Wirtschaft 3,6 % und für Minijobber in Privathaushalten 13,6 %, womit sich der Pflichtbeitrag insgesamt jeweils auf 18,6 % beläuft.
Geringfügig entlohnte Arbeitnehmer können sich aber auch von der Rentenversicherungspflicht befreien las-sen. Dazu sollte der Arbeitnehmer ein Musterformular nutzen und Ihnen als Arbeitgeber zustellen (z.B. abrufbar unter » www.minijob-zentrale.de/befreiungsantrag). Als Arbeitgeber müssen Sie diesen Antrag mit Eingangsdatum und Angabe des Zeitpunkts, ab dem die Befreiung wirkt, in die Entgeltunterlagen des Arbeitnehmers aufnehmen und die Minijob-Zentrale zeitnah über die Befreiung des Arbeitnehmers informieren.
Hinweis:
Die Befreiung ist für die gesamte Dauer des Minijobs und alle zeitgleichen Minijobs eines Arbeitnehmers bindend! Sie verliert erst mit dem Ende aller geringfügig entlohnten Beschäftigungen, für die der Antrag bindend ist, ihre Wirkung.
Daher müssen Arbeitnehmer bei der Aufnahme neuer Minijobs ihren neuen Arbeitgeber über eine bestehende Befreiung informieren.
Wenn von der Befreiung Gebrauch gemacht wird, bleibt es bei dem Pauschalbeitrag des Arbeitgebers zur Rentenversicherung in Höhe von 15 %.
1.3 Lohnsteuer
Grundsätzlich sind alle Minijobs steuerpflichtig. Hier kann zwischen einer Lohnsteuerpauschalierung und einer individuellen Besteuerung gewählt werden.
• Lohnsteuerpauschalierung zu 2 %:
Im Fall der Lohnsteuerpauschalierung ist ein einheitlicher Pauschsteuersatz von 2 % des Arbeitsentgelts zu erheben und zusammen mit den Sozialversicherungspauschalbeiträgen an die Minijob-Zentrale ab-zuführen. Hierin sind auch der Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer enthalten (auch wenn der Arbeitnehmer keiner Religionsgemeinschaft angehört). Diese Pauschalbesteuerung kommt nicht in Betracht, wenn der Arbeitnehmer auf seine Beiträge zur Rentenversicherung verzichtet (siehe Punkt 1.2) und entsprechend seine Beiträge zur gesetzlichen Ren-tenversicherung nicht abgeführt werden.
• Lohnsteuerpauschalierung zu 20 %:
Wenn der Arbeitnehmer bereits über eine andere Beschäftigung die Rentenversicherungspflicht erfüllt, können Sie als Arbeitgeber eine pauschale Lohnsteuer mit einem Steuersatz von 20 % zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer einbehalten und an das Finanzamt der Betriebsstätte abführen.
• Individualbesteuerung:
Statt der Pauschalbesteuerung kann auch eine Besteuerung nach den individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmalen vorgenommen werden. Die Höhe des Lohnsteuerabzugs richtet sich in diesen Fällen nach der jeweiligen Lohnsteuerklasse.
2 Kurzfristig Beschäftigte
Eine kurzfristige Beschäftigung, deren klassische Einsatzfelder Saisonarbeiten (z.B. in Freibädern und Biergärten oder als Inventur- oder Erntehelfer) sind, liegt vor, wenn die Beschäftigung
• im Voraus vertraglich begrenzt ist oder
• nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt (z.B. Saisonarbeit) oder
• innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage beschränkt ist und
• nicht berufsmäßig ausgeübt wird.
Man geht vom Dreimonatszeitraum aus, wenn die Beschäftigung an mindestens fünf Tagen pro Woche aus-geübt wird. Bei Beschäftigungen von regelmäßig weniger als fünf Tagen pro Woche geht man bei der Prüfung der Kurzfristigkeit von 70 Arbeitstagen aus. Sofern von vornherein feststeht, dass diese Grenzen überschritten werden, liegt auch keine kurzfristige Beschäftigung vor. Dagegen ist ein vorübergehendes unvorhersehbares Überschreiten der Entgeltgrenze (z.B. aufgrund einer Krankheitsvertretung) bis zur Dauer von drei Monaten bzw. 70 Arbeitstagen auch bei einem Arbeitsentgelt von mehr als 5.400 € pro Jahr unschädlich.
Hinweis:
Überschreitet eine als kurzfristig vereinbarte Beschäftigung die Zeitgrenzen, so tritt vom Tag des Überschreitens an die Versicherungspflicht ein.
Sozialversicherungsfreiheit, Umlagen und Lohnsteuer
Liegt eine kurzfristige Beschäftigung vor, ist diese für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sozialversicherungsfrei.
Der kurzfristig Beschäftigte ist in der gesetzlichen Unfallversicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichert. Die Beiträge zu dieser Pflichtversicherung (in individueller Höhe) müssen von Ihnen als Arbeitgeber an die zuständige Berufsgenossenschaft gezahlt werden. Außerdem müssen Sie auch für kurzfristig Beschäftigte Umlagen aufgrund des Ausgleichsverfahrens entrichten.
Der Arbeitslohn aus einer kurzfristigen Beschäftigung ist uneingeschränkt lohnsteuerpflichtig. Es gilt das übliche Steuerabzugsverfahren entweder nach den individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmalen oder einer pauschalen Lohnsteuer in Höhe von 25 %.
Die Zahlung der pauschalen Lohnsteuer ist jedoch nur möglich, wenn
• der Arbeitnehmer bei dem Arbeitgeber gelegentlich, nicht regelmäßig wiederkehrend beschäftigt wird,
• der durchschnittliche Arbeitslohn je Arbeitsstunde nicht höher als 12 € ist,
• der tägliche Arbeitslohn während der Beschäfti-gungsdauer 72 € durchschnittlich je Arbeitstag nicht übersteigt oder die Beschäftigung zu einem unvorhersehbaren Zeitpunkt sofort erforderlich wird und
• die Beschäftigung nicht über 18 zusammenhängende Arbeitstage hinausgeht.
Hinweis:
Der pauschale Lohnsteuersatz für kurzfristig Beschäftigte, die ausschließlich in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt werden - dazu zählen vor allem Erntehelfer -, fällt mit 5 % deutlich geringer aus. Diese kurzfristig Beschäftigten dürfen jedoch nicht
• für Arbeiten eingesetzt werden, die ganzjährig anfallen, und
• zu den land- und forstwirtschaftlichen Fachkräften zählen.
3 Mindestlohn
Für alle Arbeitgeber besteht die Verpflichtung, ihren Beschäftigten den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen.
Mindestlohn 2019 und 2020
Stundenlohn 01.01. bis 31.12.2019: 9,19 € | ab 01.01.2020: 9,35 €
Maximale monatliche Stundenzahl 01.01. bis 31.12.2019: 48,96 | ab 01.01.2020: 48,13
Maximale wöchentliche Stundenzahl 01.01. bis 31.12.2019: 11,3 | ab 01.01.2020: 11,1
Dass der Mindestlohn gezahlt wird, muss durch Sie als Arbeitgeber nachgewiesen werden: Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit sind aufzuzeichnen und die Dokumentation ist mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Ein Verstoß gegen diese Dokumentationspflichten kann ein Bußgeld zur Folge haben.
Hinweis:
Von der Aufzeichnungspflicht ausgenommen sind:
• Minijobber in Privathaushalten und
• enge Familienangehörige.
Wenn der Mindestlohn nicht gezahlt wird, kann dies als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Zu bedenken ist auch der Grundsatz, dass der Beitragsanspruch der Sozialversicherung dem Entstehungsprinzip folgt. Demnach sind Sozialversicherungsbeiträge auch auf solche Lohnbestandteile zu zahlen, die gar nicht an den Arbeitnehmer ausgezahlt worden sind (sog. Phantomlohn).
4 Minijobber auf Abruf
Wenn Sie als Arbeitgeber mit einem Minijobber auf Abruf keinen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder ein bestehender Arbeitsvertrag keine Aussagen zur wöchentlichen Arbeitszeit trifft, gilt seit dem 01.01.2019 für die Sozialversicherung regelmäßig eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden.
Bis Ende 2018 wurde in solchen Fällen von einer regelmäßigen Arbeitszeit von nur zehn Arbeitsstunden ausgegangen. Diese Verdopplung der angenommenen Arbeitsstunden kann dazu führen, dass die Geringverdienstgrenze für Minijobs von 450 € im Monat regelmäßig überschritten wird, wie folgende Berechnung zeigt:
20 Arbeitsstunden pro Woche × 9,19 € (aktueller Mindestlohn) × 4,33 (Wochenfaktor) = 795,85 € (Monatslohn).
Hinweis:
Der Wochenfaktor von 4,33 ergibt sich daraus, dass man die 52 Kalenderwochen eines Jahres durch die zwölf Monate teilt. Eine solche Überschreitung führt dann zur Sozialversicherungspflicht!
Letzterer kann man auch nicht durch Stundenaufzeichnungen mit einer deutlich geringeren Arbeitszeit als 20 Wochenstunden entgehen. Im Gegensatz zum Steu-errecht, das sich nach den tatsächlichen Gegebenheiten richtet, entscheidet in der Sozialversicherung der Anspruch. Da der gesetzlichen Regelung im Teilzeit- und Befristungsgesetz zufolge ein Anspruch von 20 Arbeitsstunden pro Woche besteht, muss dieser immer dann zugrunde gelegt werden, wenn nichts anderes vereinbart worden ist.
Hinweis:
Schließen Sie als Arbeitgeber mit geringfügig Beschäftigten Arbeitsverträge, die eine tatsächliche Wochenarbeitszeit beinhalten. Nur auf diese Weise können Sie der Annahme von 20 Wochenarbeitsstunden entgehen. Ist als wöchentliche Arbeitszeit eine Mindestarbeitszeit vereinbart, dürfen Sie nur bis zu 25 % der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Ist als wöchentliche Arbeitszeit eine Höchstarbeitszeit vereinbart, dürfen Sie bis zu 20 % der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen.
5 Midijobber und Übergangsbereich
Zum 01.07.2019 hat sich die Regelung bezüglich der sogenannten Midijobs geändert. Seit diesem Datum gelten Beschäftigungsverhältnisse im neuen „Übergangsbereich“ mit einem regelmäßigen Arbeitsentgelt von 450,01 € bis 1.300 € als Midijobs.
Beispiel 1:
Axel übt nebeneinander drei Beschäftigungen als Raumpfleger aus, jeweils bei verschiedenen Arbeitgebern. Daneben hat er keine Hauptbeschäftigung. In seinen drei Beschäftigungsverhältnissen erhält Axel jeweils ein Arbeitsentgelt von 200 € monatlich. Sein monatliches Arbeitsentgelt beläuft sich somit auf insgesamt 600 € und übersteigt die 450-€-Grenze. Die Minijob-Regelungen finden keine Anwendung, es handelt sich um ein Beschäftigungsverhältnis im Übergangsbereich.
Bei der Ermittlung des maßgeblichen Entgelts werden alle Einnahmen berücksichtigt, auf die der Arbeitnehmer Anspruch hat (aus Tarifvertrag, betrieblich üblichen Zusatzleistungen, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsvertrag), unabhängig davon, ob diese gezahlt werden oder nicht.
Im Übergangsbereich unterliegen die Arbeitsentgelte grundsätzlich der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung, jedoch sind die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer im Übergangsbereich niedriger als bei Beschäftigten mit einem Lohn oberhalb der 1.300-€-Grenze. Die Arbeitgeberbeiträge verändern sich aber nicht, das heißt, hier müssen Sie als Arbeitgeber trotzdem den vollen Beitragsanteil tragen.
Hinweis:
Bis zum 30.06.2019 einschließlich war anstelle des neuen Übergangsbereichs noch die alte „Gleitzone“ von 450,01 € bis 850 € maßgeblich. Die obigen Ausführungen gelten entsprechend auch für die alte Gleitzone.
Beispiel 2:
Wie Beispiel 1, nur dass Axel jetzt jeweils 300 €, also insgesamt 900 € monatlich verdient. Seit dem 01.07.2019 gilt Axel als Midijobber. Bis zum 30.06.2019 wäre er kein Midijobber, da sein Arbeitsentgelt die alte Gleitzonengrenze (850 €) überschreitet.
Auf der Website der Deutschen Rentenversicherung Bund finden Sie einen Rechner, mit dem Sie die Höhe der jeweiligen Abgabenanteile errechnen können: