2. Update: Senkung der Umsatzsteuersätze
Zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember 2020 („Niedrigsteuerphase“) sollen der Regelsteuersatz von derzeit 19 Prozent auf 16 Prozent und der ermäßigte Steuersatz von aktuell 7 Prozent auf 5 Prozent gesenkt werden.
Für die Unternehmen bedeutet die befristete Absenkung der Steuersätze einen enormen Aufwand. So müssen ERP- und Kassensysteme angepasst, neue Steuerkennzeichen implementiert und die Layouts der Rechnungen angepasst werden.
Der Steuersatz auf Speisen in der Gastronomie wurde bereits für den Zeitraum zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 30. Juni 2021 von 19 Prozent auf 7 Prozent gesenkt. Nunmehr ergibt sich für Hotels und Restaurants ein mehrfacher Umstellungsaufwand: Vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020 sind 5 Prozent auf Speisen fällig, 16 Prozent auf Getränke. Vom 1. Januar 2021 bis 30. Juni 2021 sind es dann 7 Prozent auf Speisen, 19 Prozent auf Getränke und ab dem 1. Juli 2021 wieder 19 Prozent auf Speisen und Getränke.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nach drei Entwürfen am 30. Juni 2020 ein BMF-Schreiben zur Steuersatzsenkung veröffentlicht.
Nachfolgend möchten wir über die wesentlichen Punkte der Steuersatzsenkung informieren.
Zeitliche Abgrenzung
Es kommt entscheidend darauf an, wann die Leistung im umsatzsteuerlichen Sinne als erbracht gilt.
Bei Lieferungen ist dies der Zeitpunkt, in dem die Verfügungsmacht am Liefergegenstand verschafft wird. Beim Versand von Gegenständen ist der Tag des Warenausgangs maßgeblich; bei Bauleistungen, Lieferungen mit Montage o. ä. der Tag der Abnahme.
Daneben ist eine Reihe von durchaus praxisrelevanten Spezialfällen zu beachten, bei denen trotz einer bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübertragung umsatzsteuerlich noch keine Lieferung vorliegt, z.B. bei
- Bauten auf fremdem Grund und Boden
- Sicherungsübereignung
- Nießbrauch
Auf der anderen Seite kann eine Lieferung vorliegen, ohne dass eine bürgerlich-rechtliche Eigentumsübertragung vollzogen wird, wie etwa bei:
- Eigentumsvorbehalt
- Übertragung von Besitz, Lasten, Gefahr, Nutzung
- Leasing- und Mietkaufverträgen
Bei den sonstigen Leistungen („Dienstleistungen“) entsteht die Umsatzsteuer grds. mit deren Vollendung. Bei zeitlich begrenzten Dauerleistungen (Vermietungen, Leasing, Lizenzen, Wartung u. ä.) ist die Leistung mit Ende des vereinbarten Leistungszeitraums ausgeführt, wenn keine Teilleistungen (siehe unten Abschnitt V.) vorliegen.
Merke: Auf das Datum des Kaufvertrages, das Rechnungsdatum oder den Zahlungseingang kommt es für die Bestimmung des korrekten Steuersatzes nicht an.
Das gilt auch für Unternehmer, die ihre Steuer generell nach vereinnahmten Entgelten berechnen und bei der Ist-Versteuerung von Anzahlungen.
Nichtbeanstandung zu hoher Steuerausweis
Das BMF stellt nochmals klar, dass ein zu hoher Steuerausweis grundsätzlich eine Steuerschuld gemäß § 14c UStG auslöst (siehe auch unten Abschnitt VII.).
Der Vorsteuerabzug soll aber für Leistungen, die im Juli erbracht werden „aus Gründen der Praktikabilität“ trotzdem in voller Höhe zulässig sein. Bedingung für den (eigentlich zu hohen) Vorsteuerabzug ist jedoch, dass der Leistende die ausgewiesene Steuer auch abführt. Der Rechnungsempfänger kann das natürlich nicht nachprüfen.
Nicht (voll) vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer werden die Regelung wohl ohnehin ablehnen und den Leistenden um Rechnungsberichtigung bitten.
Steuerformular
Nach dem BMF-Schreiben wird es keine neuen Formulare geben, sodass sich der Unternehmer mit der bekannten USt-Voranmeldung behelfen muss. Im Formular ist eine Differenzierung zwischen 16 Prozent und 5 Prozent Steuer daher nicht möglich:
Steuerpflichtige Umsätze ... Zeile 28
Steuerpflichtige i. g. Erwerbe ... Zeile 35
13b–Eingangsleistungen ... Zeilen 48, 49 bzw. 50
Bei den Vorsteuerbeträgen werden die bisher zur Verfügung stehenden Zeilen bzw. Kennziffern befüllt.
Anzahlungen
Wenn Entgelte teilweise für ab dem 1. Juli 2020 ausgeführte Leistungen vor diesem Stichtag vereinnahmt wurden, waren regelmäßig 19 Prozent bzw. 7 Prozent Umsatzsteuer in der Anzahlungsrechnung ausgewiesen. In der Schlussrechnung muss dann auf den niedrigeren Steuersatz korrigiert werden, wenn die Leistung in der Niedrigsteuerphase erbracht wird.
In der USt-Voranmeldung des Leistenden wird die Steuersatzsenkung dann so umgesetzt, dass das gesamt Nettoentgelt in Zeile 28 und die bereits vereinnahmten Anzahlungen mit einem negativen Vorzeichen in die Zeile 26 (19 Prozent) bzw. Zeile 27
(7 Prozent) eingetragen werden. Eine Eintragung in Zeile 62 der USt-Voranmeldung (als negative Nachsteuer) ist insoweit nicht vorzunehmen.
Beispiel:
Anzahlungsrechnung vom 10. Mai 2020 über EUR 10.000 netto zzgl. 19 % USt; Zahlungseingang am 20. Mai 2020. Lieferung und Schlussrechnung über insgesamt EUR 20.000 netto am 15. August 2020:
Entgelt | 20.000 | |||
+ 16% USt | 3.200 | |||
Bruttopreis | 23.200 | |||
./. Abschlagszahlung am 20.05.2020: | ||||
Entgelt | 10.000 | |||
+ USt 19% | 1.900 | 11.900 | ||
Restzahlung | 11.300 | |||
Der leistende Unternehmer müsste in seiner USt-Voranmeldung für August 2020 EUR 20.000 in Kz. 35, EUR 3.200 in Kz. 36 (beides Zeile 28), sowie EUR -10.000 in Kz. 81 (Zeile 26) melden.
Die Anzahlungsrechnung muss nicht berichtigt werden.
Gerne stellen wir Ihnen verschiedene Muster zur Verfügung, wie die Anzahlungen in der Schlussrechnung abgesetzt werden können.
Es wird vom BMF nicht beanstandet, dass in Anzahlungsrechnungen über vor dem 1. Juli 2020 vereinnahmten Teilentgelte für in der Niedrigsteuerphase erbrachte Leistungen, die Umsatzsteuer bereits mit 16 Prozent bzw. 5 Prozent ausgewiesen wird. Eine Entlastung der Anzahlung in der Schlussrechnung ist insofern nicht erforderlich.
Entsprechendes - mit umgekehrten Vorzeichen - gilt beim Wechsel von der Niedrigsteuerphase zurück zu den alten Steuersätzen im Januar 2021.
Die Entlastung bzw. die Nachversteuerung von Anzahlungen erfolgt in dem Voranmeldungszeitraum, in dem die Leistung oder Teilleistung, auf die sich die Anzahlung bezieht, ausgeführt wird. Besteuert der Unternehmer seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten („Ist-Versteuerung“), erfolgt die Entlastung bzw. die Nachversteuerung wenn das restliche Entgelt vereinnahmt wird.
Merke: Der Unternehmer kann auch schon vor Eintritt der jeweiligen Steuersatzänderung Rechnungen mit dem Steuersatz ausstellen, der zum Zeitpunkt der Ausführung der Leistung gelten wird. Dadurch gestaltet sich die Darstellung der Schlussabrechnung einfacher.
Grundsätzlich sind folgende Varianten denkbar:
Leistung | Anzahlung | Umsatzsteuer |
Leistung bis 30.6.2020 | Ob AZ geleistet wurden, ist unerheblich | Leistung unterliegt 19 % bzw. 7 % USt |
Leistung zwischen 30.6.2020 und 1.1.2021 | AZ nicht vor 1.7.2020 geflossen | Leistung unterliegt 16 % bzw. 5 % USt |
Leistung zwischen 30.6.2020 und 1.1.2021 | AZ ganz oder teilweise vor 1.7.2020 geflossen | AZ vor 1.7.2020 wurden mit 19 % bzw. 7 % USt besteuert; Entlastung mit 3% bzw. 2% bei Ausführung der Leistung
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Leistung nach dem 31.12.2020 | AZ nicht vor 1.1.2021 geflossen | Leistung unterliegt 19 % bzw. 7 % USt |
Leistung nach 31.12.2020 | AZ ganz oder teilw. zwischen 1.7.2020 und 31.12.2020 geflossen | AZ können mit 16 % bzw. 5 % USt besteuert werden; Nachversteuerung mit 3% bzw. 2% bei Ausführung der Leistung
|
Teilleistungen
Neben der vollständig ausgeführten Leistung führt auch eine abgeschlossene Teilleistung zur endgültigen Entstehung der Umsatzsteuer.
Teilleistungen setzen voraus, dass eine Leistung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise überhaupt teilbar ist. Ferner ist Voraussetzung, dass sie nicht als Ganzes, sondern in Teilen geschuldet und bewirkt wird. Eine Leistung ist in Teilen geschuldet, wenn für bestimmte Teile das Entgelt gesondert vereinbart wird.
Bei Dauerleistungen wie bspw. bei (umsatzsteuerpflichtigen) Vermietungsleistungen sind regelmäßig Teilleistungen gegeben, wenn monatliche Zahlungen vereinbart sind, sodass nur die Mietzahlungen für die Monate Juli bis Dezember 2020 mit 16 Prozent zu versteuern sind.
In einem Mietvertrag ist eine monatliche Zahlung vereinbart. Bei den Nebenkosten verhält es sich nach dem BMF-Schreiben so, dass diese als Nebenleistung zur Vermietungsleistung mit dem gleichen Steuersatz abgerechnet werden, d. h. zwischen Juli und Dezember 2020 mit 16 Prozent. Wenn aus der Endabrechnung im Jahr 2021 eine Nachzahlung oder eine Erstattung resultiert, dürfte es sich um eine Änderung der Bemessungsgrundlage handeln (siehe unten Abschnitte VII. und VIII.).
Für Architekten und Ingenieure ist zu beachten, dass nach Verwaltungsmeinung allein aus der Aufgliederung der Leistungsbilder zur Ermittlung des (Teil-)Honorars noch nicht folgt, dass die Leistungen in Teilen erbracht werden. Nur wenn nach § 9 HOAI zusätzliche Vereinbarungen über die gesonderte Ausführung und Honorierung einzelner Leistungsphasen getroffen werden, sind insoweit Teilleistungen anzunehmen. Das gilt nach Verwaltungsmeinung sinngemäß auch für Architekten- und Ingenieurleistungen, die nicht nach der HOAI abgerechnet werden.
Bei Bauleistungen liegen in der Praxis meist keine Teilleistungen vor. Häufig werden zwar wirtschaftlich abgrenzbare Leistungen ausgeführt, es fehlt jedoch an einer Vereinbarung von Teilleistungen und der entsprechenden steuerwirksamen Abnahme von solchen Teilleistungen. Werden einheitliche Bauleistungen zwischen Juli und Dezember 2020 abgenommen, unterliegt die gesamte Leistung nur 16 Prozent USt, unabhängig davon ob schon Anzahlungen mit
19 Prozent geleistet wurden. Entsprechend sind auf den Gesamtpreis 19 Prozent USt an das Finanzamt zu entrichten, wenn die Abnahme im Januar 2021 erfolgt. Das kann sich für nicht (vollständig) zum Vorsteuerabzug berechtigte Kunden vorteilhaft oder nachteilig auswirken
Gestaltung bei nicht (vollständig) zum Vorsteuerabzug berechtigten Leistungsempfängern:
Wenn zum 1. Januar 2021 die Steuersätze wieder angehoben werden, sollten bei bis dahin noch nicht vollständig ausgeführten Leistungen - soweit wirtschaftlich darstellbar - Vereinbarungen über Teilleistungen getroffen werden und eine Abnahme erfolgen.
Auch für Teilleistungen können Anzahlungsrechnungen gestellt werden.
Strom, Gas, Wasser, Wärme
Lieferungen von Elektrizität, Gas, Wärme, Kälte und Wasser (durch Versorgungsunternehmen; zu Nebenkostenabrechnungen siehe oben unter Abschnitt V.) sind erst mit Ablauf des jeweiligen Ablesezeitraums als ausgeführt zu behandeln. Die (monatlich) geleisteten Abschlagszahlungen sind nicht als Entgelt für Teilleistungen anzusehen, führen jedoch bereits im Monat ihrer Vereinnahmung zur Entstehung der Umsatzsteuer.
Die Versorgungsunternehmen können nach dem BMF-Schreiben die Zeiträume vor und nach dem 1. Juli 2020 getrennt abrechnen. Es dürfen auch in den Abschlagsrechnungen für die zweite Jahreshälfte die alten Steuersätze beibehalten werden und vom Leistungsempfänger als Vorsteuer abgezogen werden. Die zutreffende Abrechnung und Aufteilung nach den unterschiedlichen Steuersätzen kann dann in der Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens vorgenommen werden.
Anpassung von Verträgen und Rechnungen
Verträge, die als Rechnung dienen und in denen ein konkreter Steuersatz und ein Steuerbetrag ausgewiesen sind, müssen angepasst werden.
Merke: Ein in der Rechnung zu hoch ausgewiesener Steuerbetrag wird gemäß § 14c UStG vom Rechnungsaussteller geschuldet. Der Rechnungsempfänger kann hinsichtlich des zu hoch ausgewiesenen Betrages keinen Vorsteuerabzug geltend machen. Die Steuersatzänderung ist also auch für zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer ein Thema.
Es reicht aus, wenn der Vertrag mit einem Schreiben ergänzt wird, in dem Nettobetrag, Steuerbetrag und Steuersatz für die Niedrigsteuerphase aufgeführt sind. Bei der Formulierung sind wir Ihnen gerne behilflich.
Entsprechendes gilt für Dauerrechnungen.
Ob die Senkung der Steuersätze die Höhe des vereinbarten Bruttopreises beeinflusst, hängt maßgeblich davon ab, ob die Vertragspartner sog. Netto- oder Bruttopreisvereinbarungen getroffen haben. Hier ist eine Einzelfallprüfung unumgänglich.
Bei langfristigen Verträgen ist § 29 UStG zu beachten. Die Vorschrift soll bei Inkrafttreten einer Gesetzesänderung zwischen Vertragsabschluss und Umsatzausführung eine Preisanpassung ermöglichen. In zeitlicher Hinsicht ist die Anwendung des § 29 UStG auf Verträge beschränkt, die vier Kalendermonate vor dem Inkrafttreten der maßgebenden Gesetzesänderung rechtsgültig abgeschlossen worden sind. Ggf. kann auch unabhängig von der Viermonatsfrist über die allgemeinen Grundsätze ergänzender Vertragsauslegung ein Ausgleichsanspruch entstehen.
Skonto, Rabatte, Boni
Mindert sich der Kaufpreis für eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nachträglich, kann der leistende Unternehmer insoweit seine Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt berichtigen. Der Leistungsempfänger muss seinen Vorsteuerabzug auf das von ihm tatsächlich gezahlte Entgelt anpassen (Änderung der Bemessungsgrundlage).
Für den anzuwendenden Steuersatz kommt es darauf an, wann die zugrunde liegende Leistung ausgeführt wurde und nicht, wann der Rabatt, Bonus o. ä. gewährt wird.
Zur Vereinfachung kann nach dem BMF-Schreiben
- das Verhältnis der Umsätze mit dem betreffenden Kunden herangezogen werden; ein Jahresbonus für 2020 darf demnach hälftig mit 19 bzw. 7 Prozent und hälftig mit 16 bzw. 5 Prozent abgerechnet werden;
- es wird vom BMF auch nicht beanstandet, wenn die Abrechnung insgesamt zum Steuersatz von 19 Prozent erfolgt
Allerdings müssen dies dann sowohl der leistende Unternehmer (Korrektur Umsatzsteuer) als auch der Leistungsempfänger (Korrektur Vorsteuerabzug) korrespondierend umsetzen.
Retouren
Bei Retouren handelt es sich regelmäßig nicht um eigenständige Rücklieferungen, sondern um die Rückgängigmachung der ursprünglichen Lieferung aufgrund von Mängeln, Fehllieferungen, Kulanz o.ä.
Umsatzsteuerlich führt die Rückgängigmachung ebenfalls zur Änderung der Bemessungsgrundlage und damit zur Erstattung von Umsatzsteuer beim Lieferer und zur Rückzahlung von Vorsteuer beim Kunden. Der maßgebliche Steuersatz der Korrektur hängt von dem Steuersatz der ursprünglichen Lieferung ab. Ob die vorstehenden Vereinfachungen (siehe oben Abschnitt VIII.) entsprechend angewendet werden kann, muss nach dem BMF-Schreiben bezweifelt werden, da Entgeltminderungen im Allgemeinen in Rz. 27 (keine Vereinfachung) behandelt werden und Rabatte, Jahresboni u. ä. extra in den Rz. 32 und 33 (mit weitgehenden Vereinfachungen).
Merke: Erstattungen für Retouren unterliegen ab dem 1. Juli 2020 nicht automatisch dem abgesenkten Steuersatz. Maßgeblich ist der Steuersatz, mit dem die ursprüngliche Lieferung abgerechnet worden ist.
Erstattung von Pfandbeträgen
Nimmt ein Unternehmer Leergut zurück und erstattet einen dafür gezahlten Pfandbetrag, liegt umsatzsteuerlich eine Entgeltminderung vor, die zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage führt. Zur Vermeidung von Schwierigkeiten sind im BMF-Schreiben Vereinfachungen vorgesehen:
Erstattet der Unternehmer zwischen dem 1. Juli und dem 30. September 2020 Pfandbeträge, sind die alten Steuersätze (19 Prozent für „Transporthilfsmittel“, 7 Prozent oder 19 Prozent für „Warenumschließungen“) heranzuziehen. Bei Erstattungen zwischen Oktober und Dezember 2020 sind die neuen, niedrigeren Steuersätze heranzuziehen.
Entsprechendes soll nach dem BMF-Schreiben für die Erhöhung der Steuersätze zum 1. Januar 2021 gelten.
Gutscheine
Seit 2019 gelten in Deutschland neue Regelungen für Gutscheine. Dabei muss zwischen dem Einzweckgutschein und dem Mehrzweckgutschein unterschieden werden.
- Bei einem Einzweckgutschein entsteht die Umsatzsteuer schon bei Verkauf des Gutscheins. Die tatsächliche Ausführung der Leistung ist dann nicht mehr der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
- Beim Mehrzweckgutschein ist der Verkauf des Gutscheins nur ein Tausch von Geld in eine andere Form eines Zahlungsmittels. Erst wenn der Gutschein eingelöst wird, unterliegt die tatsächlich ausgeführte Leistung der Umsatzsteuer.
Die Einlösung von Einzweckgutscheinen ist nach Auffassung des BMF (die wohl gesetzeskonform ist) umsatzsteuerlich nicht mehr relevant und führt nicht zur Änderung der beim Gutscheinverkauf entstandenen Steuer. Sollte bei Einlösung des Einzweckgutscheins eine Zuzahlung durch den Gutscheininhaber erfolgen, so ist die bislang noch nicht versteuerte Differenz nach den zum Zeitpunkt der Gutscheineinlösung geltenden Umsatzsteuersätzen zu versteuern. Wenn der Gutscheininhaber Leistungen empfängt, die nur einem Steuersatz unterliegen, mag die Zuzahlung einfach zu versteuern sein. Ob und ggf. wie die Zuzahlung aufgeteilt werden muss, wenn bspw. ein Gast im Restaurant Speisen und Getränke konsumiert, regelt das BMF-Schreiben nicht.
Für Mehrzweckgutscheine, die zwischen Juli und Dezember 2020 eingelöst werden, müssen 16 bzw. 5 Prozent Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt werden.
Merke: Derzeit sollten Gutscheine möglichst als Mehrzweckgutscheine ausgestaltet und verkauft werden.
Innergemeinschaftliche Erwerbe
Die neuen Umsatzsteuersätze sind auf die innergemeinschaftlichen Erwerbe anzuwenden, die in der Niedrigsteuerphase bewirkt werden.
Für Unternehmer, die hinsichtlich des Erwerbes vollständig zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, ist die exakte zeitliche Angrenzung in materieller Hinsicht jedoch ohne praktische Bedeutung.
Reverse-Charge-Verfahren
Für bestimmte Leistungen ist nach § 13b UStG statt dem Leistenden der Leistungsempfänger Steuerschuldner. Es gelten die vorstehenden Grundsätze entsprechend. Eine vollständig exakte zeitliche Abgrenzung der Leistungsbezüge ist für Unternehmer, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, letztlich nicht von materieller Bedeutung.
Einfuhr aus dem Drittland
Ähnlich verhält es sich bei der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) für den Import von Drittlandsware. Die befristete Steuersatzsenkung stellt für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Erwerber eine echte Entlastung dar. Im Gegensatz zum innergemeinschaftlichen Erwerb wird die EUSt vom Zoll festgesetzt. In der USt-Voranmeldung wird nur die EUSt deklariert, die ganz oder teilweise als Vorsteuer herangezogen werden kann.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Fälligkeit der EUSt vom 16. auf den 26. Tag des Folgemonats verschoben werden soll. Wie dies konkret umgesetzt werden kann, ist noch nicht klar. In der Praxis melden meist Speditionen die Einfuhr stellvertretend für den Warenempfänger an und verauslagen Zoll und EUSt.
Resümee
Die vorstehenden Hinweise zeigen, dass die Steuersatzsenkung und die nur nach sechs Monaten folgende (Rück-)Anhebung zahlreiche Probleme nach sich ziehen. Der Verwaltungsaufwand, insbesondere die erforderlichen Änderungen in den IT-Systemen, ist beachtlich und wird von Politik und Verwaltung offenbar unterschätzt.
Auch wenn die Schnelligkeit des BMF zu loben ist und auch die Bemühungen, gewisse Erleichterungen für die Praxis zu schaffen, sind längst nicht alle Zweifelsfragen gelöst und Umstellungsprobleme beseitigt. Es bleibt zu hoffen, dass spätere Betriebsprüfungen für die Jahre 2020 und 2021 mit Augenmaß an die Sache herangehen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Broll Schmitt Kaufmann & Partner
FAQ / Handlungsempfehlungen
- Ich verkaufe nur an Unternehmer, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind und muss daher nichts veranlassen.
Falsch, betroffen sind alle Unternehmen!
Ihr Kunde kann nur die jeweils gesetzlich geltende Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen. Weisen Sie einen zu hohen Steuerbetrag aus, ist beim Kunden der Vorsteuerabzug gefährdet. Er wird (ggf. erst Jahre später bei einer Betriebsprüfung) verlangen, dass Sie die Rechnung berichtigen und die zu viel gezahlte Steuer erstatten. Auf der anderen Seite schuldet der Rechnungsaussteller die zu hoch ausgewiesenen Steuer dem Finanzamt.
- Ich bin zum Vorsteuerabzug berechtigt und mir ist es daher egal, ob auf der Rechnung 19%, 7%, 16% oder 5% USt stehen.
Falsch, betroffen sind alle Unternehmen!
Sie als Rechnungsempfänger dürfen nur die jeweils gesetzlich geltende Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen. Es besteht das Risiko, dass Sie Vorsteuer an das Finanzamt zurückzahlen müssen, die Ihnen Ihr Lieferant nicht mehr erstatten kann (Insolvenz) oder will (Einrede der Verjährung).
- Ich programmiere meine Kasse nicht um, sondern ziehe einen Rabatt ab.
Händler und Anbieter von Dienstleistungen können für die Senkung der Steuersätze von der bestehenden Ausnahmemöglichkeit des § 9 Absatz 2 der Preisangabenverordnung (PAngV) Gebrauch machen und pauschale Rabatte an der Kasse gewähren, ohne die Preisauszeichnung ändern zu müssen (BMWi, Schreiben vom 10. Juni 2020). Diese Ausnahmemöglichkeit kann nicht für preisgebundene Artikel, wie Bücher, Zeitschriften, Zeitungen und rezeptpflichtige Arzneimittel, angewendet werden.
Dabei sind die umsatzsteuerlichen Regelungen zum unrichtigen Steuerausweis nach § 14c UStG allerdings nicht bedacht worden. Umsatzsteuerlich gilt weiterhin: wenn ein Unternehmen in seiner Rechnung, Kassenbon, Quittung oder Beleg die alten höheren Steuersätze ausweist, schuldet es dem Finanzamt auch den Mehrbetrag zwischen altem und neuem Steuersatz. Als Vorsteuer darf dagegen nur die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer (16% bzw. 5%) geltend gemacht werden.
- Für wen lohnt es sich, wenn die Auslieferung oder Abnahme der Leistung verschoben wird?
Soweit bei Leistungen gegenüber einem nicht zum (vollen) Vorsteuerabzug berechtigten Kunden ausgeführt werden, sollten die Auslieferung und ggf. die Abnahme – soweit keine künstliche / missbräuchliche Gestaltung vorliegt – in die Zeit zwischen Juli und Dezember 2020 gelegt werden. Die Verschiebung der Rechnungstellung oder der Zahlung nützt nichts.
- Ich lasse die Kunden einfach später zahlen oder datiere den Kaufvertrag um, damit meine Kunden von der Steuersatzsenkung profitieren können.
Falsch: Welcher Steuersatz anzuwenden ist, hängt allein davon ab, wann die Leistung oder Teilleistung erbracht wurde.
- Lohnt sich die Vereinbarung von Teilleistungen?
Nur, wenn der Kunde nicht (vollständig) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Wenn bspw. ein Wohnhaus zwischen Juli und Dezember 2020 fertiggestellt / abgenommen wird, unterliegt die gesamte Leistung 16% USt. Erfolgt die Fertigstellung erst im Jahr 2021, werden für den Gesamtpreis 19% USt fällig. Im letztgenannten Fall macht es Sinn, vor dem 31. Dezember 2020 eine Vereinbarung über die Ausführung von Teilleistungen abzuschließen und die zwischen Juli und Dezember 2020 abgeschlossenen Teilleistungen abzunehmen. Insoweit würden dann die Teilleistungen endgültig nur 16% USt unterliegen.
- Vornahme von Zwischenabrechnungen
Nach dem BMF-Schreiben ist eine Voraussetzung für die Anerkennung von vor dem 1. Juli 2020 ausgeführten Teilleistungen, dass das Teilentgelt gesondert abgerechnet wird. Wer die Anerkennung solcher Teilleistungen in Betracht ziehen möchte oder muss, sollte also zum gegebenen Zeitpunkt „Zwischenabrechnungen“ stellen.
Sinnvoll wäre dieses Vorgehen allerdings nicht, wenn die einheitliche Gesamtleistung - ohne Anerkennung von Teilleistungen - zwischen Juli und Dezember 2020 als erbracht gilt, sodass die Regelung eher für die Steuersatzerhöhung zum 1. Januar 2021 Sinn macht.
- Wie ist mit Jahresverträgen umzugehen (Lizenzen, Support, Hotline u. ä.), wenn bereits zu Jahresbeginn abgerechnet wurde?
Es gilt der Steuersatz des Monats, in dem die Leistung vollständig erbracht ist. Endet der Vertrag zwischen Juli und Dezember 2020, werden insgesamt also nur 16 % USt fällig.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn umsatzsteuerlich wirksam (monatliche) Teilleistungen und -zahlungen vereinbart sind. Insofern bestimmt sich der Steuersatz nach dem Monat, in der die einzelne Teilleistung endet; IT-Support für Juni 2020 also mit 19% USt, IT-Support Juli 2020 mit 16 % USt. Auch hier müssen ggf. Verträge oder Dauerrechnungen an die neuen Steuersätze angepasst werden.
- Muss ich Miet-, Leasing-, Lizenz-, Wartungsverträge, Dauerrechnungen o.ä. ändern (lassen)?
Ja, siehe oben unter 1) und 2).
- Welcher Steuersatz gilt bei gewerblicher Vermietung?
Wenn – was regelmäßig der Fall ist – monatliche Mietzahlungen vereinbart sind, unterliegen die Mietzahlungen für die Monate Juli bis Dezember 2020 nur 16% USt. Für die Nebenkosten gilt entsprechendes.
Die monatlichen Rechnungen, Dauerrechnungen bzw. Mietverträge (wenn diese als Rechnung verwendet werden) sind auf die befristete Steuersatzsenkung anzupassen.
- Ich stelle meine Anzahlungsrechnungen erst im Juli, damit da schon die gesenkten Steuersätze draufstehen.
Letztlich ist der gesetzliche Steuersatz bei Ausführung der (Teil-)Leistung maßgeblich. Zur Liquiditätssicherung bei gleichzeitiger Vermeidung komplizierter Schlussabrechnungen können Anzahlungsrechnungen schon im Juni mit den niedrigeren Steuersätzen gestellt werden, wenn die Leistung zwischen Juli und Dezember 2020 erbracht wird.
- Muss ich meine Preise anpassen oder andersherum: kann ich von meinen Lieferanten Preisminderungen verlangen?
Es besteht keine generelle gesetzliche Verpflichtung für die Unternehmen, ihre Kunden an einer zukünftigen Steuersatzsenkung durch verringerte Preise zu beteiligen. Unternehmen sollten jedoch im Falle bereits geschlossener Verträge prüfen, ob Brutto- oder Nettopreisvereinbarungen getroffen worden sind. Im Endkundengeschäft oder bei Leistungsbeziehungen mit nicht (vollständig) vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern wird der Kunde auf eine Senkung des Bruttopreises drängen.
- Daueraufträge und Lastschriften anpassen?
Wenn sich der abzubuchende bzw. zu überweisende Betrag durch die Steuersatzänderung mindert bzw. ab Januar 2021 wieder erhöht, macht es Sinn, dies in die Wege zu leiten.
- Ist es sinnvoll umsatzsteuerpflichtige Entnahmen auf den Zeitraum zwischen Juli und Dezember 2020 zu verschieben?
Ja, auch für Entnahmen gelten zeitlich begrenzt die niedrigeren Steuersätze.
-
- Bitte beachten Sie, dass auch umsatzsteuerpflichtige Sachbezüge, die zwischen Juli und Dezember 2020 gewährt werden, den niedrigeren Steuersätzen zu unterwerfen sind.
- Internethandel: Welcher Umsatzsteuersatz gilt bei Bestellung und Bezahlung vor dem 1. Juli, wenn die Ware nach dem 30. Juni 2020 versendet wird?
Es kommt nicht auf das Bestelldatum, das Rechnungsdatum oder die Bezahlung an. Die Lieferung unterliegt den abgesenkten Steuersätzen, wenn der Versand im Juli erfolgt. Eine andere Frage ist, ob der Versandhändler auch tatsächlich den Bruttopreis senken muss. Ansonsten hat der private Käufer nichts von der Steuersatzsenkung.
- Weitere To-Dos
- Anpassung der Rechnungslayouts an die neuen Steuersätze
- Anpassung von Preislisten, Katalogen, Bestellportalen usw.
- Einführung neuer Steuerschlüssel oder ggf. Reaktivierung historischer Steuerschlüssel; dabei dürfen die alten Schlüssel für 7% bzw. 19% nicht überschrieben werden
- Einrichtung gesonderter Erlös- und Aufwandskonten
- Mappen der neuen Steuerschlüssel bzw. Konten mit dem USt-Formular
- Anpassung der elektronischen Kassensysteme beim Dienstleister beauftragen und Änderungen dokumentieren
- Anpassung Warenwirtschaftssysteme, sofern diese mit Steuerschlüsseln verknüpft sind; zeitnahe Abklärung mit Systemanbietern
- Anpassung weiterer Vorsysteme und der automatischen Rechnungseingangsprüfung; Updates rechtzeitig einspielen
- Wiederkehrende Buchungen anpassen
- Ergänzung von Verfahrensdokumentationen
- Steuersätze im Ausland im Blick behalten, wenn Sie dort umsatzsteuerlich registriert sind, da auch dort kurzfristige Steuersatzänderungen nicht ausgeschlossen sind