Mit dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG), das zum 1. Januar 2021 in Kraft tritt, schafft der Gesetzgeber erstmals ein Restrukturierungsverfahren für Unternehmen außerhalb der Insolvenz. Gleichzeitig werden so eine Vielzahl von Rechtsordnungen geändert und die Regelungen über die Geschäftsleiterhaftung verschärft.
SanInsFoG und StaRUG – Umfassende Änderungen im Bereich der Restrukturierung von Unternehmen
Der Bundestag hat am 17. Dezember 2020 den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) und das darin enthaltene Unternehmensstabilisierungs- und ‑restrukturierungsgesetz (StaRUG) verabschiedet. Damit schafft der Gesetzgeber erstmals einen Rechtsrahmen, der es Unternehmen ermöglicht, „sich bei drohender, aber noch nicht eingetretener Zahlungsunfähigkeit, außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu sanieren“.
Hintergrund
Durch die Corona-Pandemie haben unzählige Unternehmen massive Umsatzeinbußen erlitten. Trotz verschiedenster Hilfsprogramme, Steuerstundungen, Kurzarbeitergeld und der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht droht vielen nach wie vor ein Insolvenzverfahren. Zwar wurde zur Abfederung der pandemiebedingten wirtschaftlichen Folgen im September 2020 jene Aussetzung der Antragspflicht zumindest teilweise bis zum Jahreswechsel verlängert. Ab 2021 jedoch soll diese auch bei Vorliegen einer Überschuldung wieder greifen (vgl. § 1 Abs. 2 COVInsAG). Daher scheint eine umfassende Restrukturierung ganzer Branchen unausweichlich. Eine Alternative zum Insolvenzverfahren fehlt jedoch bislang.
Der zuvor geschilderten durch die Krise geprägten Sondersituation soll nun durch eine umfassende Reform im Bereich des Insolvenzrechts Rechnung getragen werden:
Ende September 2020 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) einen Referentenentwurf des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrecht (SanInsFoG) vorgelegt. Dieser dient der Umsetzung der europäischen Richtlinie (EU) 2019/1032 über präventive Restrukturierungsrahmen. Bereits Mitte Oktober folgte ein entsprechender Regierungsentwurf, was nicht zuletzt die Dringlichkeit weiterer pandemiebedingter Anpassungen verdeutlicht. Insbesondere durch das darin enthaltene Unternehmensstabilisierungs- und ‑restrukturierungsgesetz (StaRUG) wird damit ein vollständig neues Restrukturierungsverfahren – der sog. „präventive Restrukturierungsrahmen“ – außerhalb der Insolvenz eingeführt. Das Gesetz tritt bereits zum 01.01.2021 in Kraft. Mit ihm ändern sich eine Vielzahl von Rechtsordnungen, u.a. die Insolvenzordnung, das GmbH-Gesetz, sowie mehrere Branchenordnungen.
Der neue Restrukturierungsrahmen: Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens
Im derzeit geltenden Recht besteht die Möglichkeit, Sanierungen auch gegen den Willen opponierender Gläubiger durchzusetzen, grundsätzlich nur im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Ein solches ist aber auch mit deutlichen Nachteilen verbunden – u.a. mit erheblichen Kosten und einem Reputationsverlust für das betroffene Unternehmen. Der neue Restrukturierungsrahmen soll dieses Problem beheben und drohend zahlungsunfähige Unternehmen auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens mit entsprechenden Sanierungsinstrumenten ausstatten. Bislang besteht bei drohender Zahlungsunfähigkeit lediglich ein Antragsrecht, jedoch keine Antragspflicht des Insolvenzschuldners.
Der Restrukturierungsplan
Herzstück des StaRUG ist der sog. Restrukturierungsplan nach § 4 ff. StaRUG, welcher angelehnt an den Insolvenzplanplan Eingriffe in die Rechte von Gesellschaftern und Gläubigern auf Basis von Mehrheitsentscheidungen ermöglicht. Hierbei handelt es sich um eine Art Vergleich mit einzelnen oder allen Gläubigern, der ggf. auch gegen den Willen einzelner Planbetroffener geschlossen werden kann (§ 67 ff. StaRUG). Hierbei wird der nicht zustimmende Teil der Gläubiger durch einen gerichtlichen Bestätigungsbeschluss an den mehrheitlich beschlossenen Plan gebunden. Die Bestätigung des Plans setzt voraus, dass die nicht zustimmende Gruppe durch den Restrukturierungsplan nicht schlechter gestellt wird als sie ohne den Plan stünde. Bestimmte Forderungen sind allerdings von vornherein von der Aufnahme in den Plan ausgeschlossen, insbesondere Arbeitnehmer- und Pensionsforderungen. Insolvenzgeld und dessen Vorfinanzierung werden für den neuen Restrukturierungsrahmen daher zumindest isoliert auch nicht zur Verfügung stehen.
Die Regelungen zur Einteilung der über den Plan abstimmenden Gläubigergruppen sowie das Abstimmungsverfahren lehnen sich an diejenigen des Insolvenzplans an. Dennoch gibt es erhebliche Unterschiede: So bedarf es – an Stelle der kumulativen Kopf- und Summenmehrheit (50% + 1) im Insolvenzplanverfahren – beim Restrukturierungsplan einer qualifizierten Mehrheit von 75% der Forderungen in den einzelnen Gruppen. Darüber hinaus können nach dem StaRUG die Festlegung des Abstimmungsprozesses und seine Durchführung grundsätzlich dem Schuldner selbst überlassen werden. Hierfür bedarf es lediglich der Einhaltung bestimmter Mindestanforderungen – z.B. angemessene Informationen, Gelegenheit zur Teilnahme an Erörterung und Abstimmung über den Plan, Schutz ggf. beteiligter Kleinunternehmen. Alternativ kann die Planabstimmung auch im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens durchgeführt werden.
Restrukturierungs- und Stabilisierungsinstrumente
Der Zugang zum Restrukturierungsrahmen eröffnet Unternehmen die Möglichkeit, je nach individuellem Bedarf modular verschiedene gerichtliche Stabilisierungs- und Restrukturierungsinstrumente in Anspruch zu nehmen. Diese erfordern gem. § 31 StaRUG eine Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim zuständigen Restrukturierungsgericht und dessen Tätigwerden. Dazu zählen:
- die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (gerichtliche Planabstimmung, § 45 ff. StaRUG),
- die gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind (gerichtliche Vorprüfung, § 47 ff. StaRUG),
- die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans (Planbestätigung, § 67 StaRUG) und
- die Beantragung eines umfassenden Verwertungs- und Vollstreckungsmoratoriums (sog. Stabilisierungsanordnung, §§ 49, 53 StaRUG) für zunächst drei Monate. Dieses ist auf maximal acht Monate verlängerbar.
Der Restrukturierungsbeauftragte
Der Entwurf sieht die Möglichkeit der Bestellung eines unabhängigen Restrukturierungsbeauftragten (RB; § 73 ff. StaRUG) vor. Diesem kommt dann die Aufgabe zu, das Vorliegen und Fortbestehen der Zugangsvoraussetzungen zu überprüfen und den Restrukturierungsplan zu begutachten. Die Bestellung soll nur im Ausnahmefall notwendig sein, ansonsten auf Antrag des Schuldners oder von mindestens 25% der Restrukturierungsgläubiger einer Restrukturierungsgruppe, die zur Übernahme der Kosten bereit sind, erfolgen.
Allerdings ist sie u.a. in folgenden Fällen notwendig:
- wenn Rechte von Verbraucherinnen oder mittleren und kleinen Unternehmen berührt werden,
- eine Stabilisierungsanordnung erwirkt wird,
- oder absehbar ist, dass das Restrukturierungsziel nur gegen den Willen bestimmter Planbetroffener erreichbar ist, deren Zustimmung ersetzt werden müsste.
Anwendungsbereich des Restrukturierungsverfahrens
Grundsätzlich können nur Unternehmen, welche drohend zahlungsunfähig sind, das außerinsolvenzliche Restrukturierungsverfahren in Anspruch nehmen. Zahlungsunfähigen (§ 17 InsO) oder überschuldeten (§ 19 InsO) Unternehmen bleibt die Option einer Restrukturierung außerhalb der Insolvenz daher verwehrt. Für diese Fälle ist nach wie vor das Insolvenzverfahren vorgesehen.
Verschärfung der Geschäftsleiterhaftung
Mit Einführung des StaRUG wird eine rechtsformunabhängige Pflicht von Geschäftsleitern zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern etabliert.
Danach muss die Geschäftsleitung ab Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Gericht die Restrukturierungssache mit der „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers″ betreiben und Maßnahmen unterlassen, die das Restrukturierungsziel gefährden (§ 32 Abs. 1 StaRUG). Sie trifft ab diesem Zeitpunkt also eine Pflicht zur Wahrung von Gläubigerinteressen. Im Falle einer Pflichtverletzung kann das Unternehmen Schadenersatzansprüche gegen die Geschäftsleiter geltend machen (§ 43 Abs. 1 StaRUG).
Weitere Einzelheiten, u.a. zur Geschäftsleiterhaftung im Rahmen des StaRUG, entnehmen Sie bitte unseren dazu folgenden Beiträgen. Wir halten Sie entsprechend auf dem Laufenden. Zögern Sie nicht, sich mit Ihren Fragen an uns zu wenden.
Ihre Ansprechpartner:
Sebastian Kaufmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
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Christian Franz
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
Dr. Karsten S. Hohberg
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Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Markus Fröhlich
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Fachanwalt für Insolvenzrecht
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