26.03.2020
Leistungsverweigerungsrecht für Verbraucher und Kleinstunternehmer bei Dauerschuldverhältnissen
Voraussetzung für das Leistungsverweigerungsrecht
Der Verbraucher kann die Leistung, in der Regel also die Zahlung, bis zum 30.06.2020 verweigern, wenn der Vertrag vor dem 08.03.2020 geschlossen wurde. Darüber hinaus muss die Weigerung aufgrund von Umständen erfolgen, welche auf die Ausbreitung der COVID-19-Pandmie zurückzuführen sind und in Folge derer die Erbringung der Leistung den angemessenen Lebensunterhalt oder den angemessenen Lebensunterhalt von unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde.
Für Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen gilt dasselbe. Auch diese sind zur Leistungsverweigerung bis 30.06.2020 berechtigt, wenn der Vertrag vor dem 08.03.2020 geschlossen wurde und das Unternehmen aufgrund der COVID-19-Pandemie die Leistung nicht erbringen kann oder die Erbringung der Leistung die wirtschaftliche Grundlage des Betriebs gefährden würde.
Verbraucher und Unternehmer müssen dabei gegenüber dem Gläubiger ausdrücklich von ihrem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen.
Insbesondere ist zu beachten, dass der Beweis für die Tatsachen, welche das Leistungsverweigerungsrecht begründen, durch den zu erbringen ist, welcher sich auf das Leistungsverweigerungsrecht beruft. Dies ist hier der Verbraucher bzw. Unternehmer. Können die entsprechenden Tatsachen nachgewiesen werden, so werden auch die Vollzugsfolgen verhindert, z.B. Verzugszinsen und Schadensersatz.
Kann der Nachweis nicht erfolgen, so stellt sich die Frage, ob eine Kündigung sodann gerechtfertigt ist. Aus unserer Sicht ist eine Kündigung im Fall des ungerechtfertigten Leistungsverweigerungsrechts wirksam. Vor diesem Hintergrund sollte genau geprüft werden, ob von dem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht wird, da andernfalls das Risiko der berechtigten Kündigung besteht.
Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge
Zu beachten ist, dass diese Regelungen nur für Dauerschuldverhältnisse gelten, welche zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind (z.B. Strom‑, Wasser‑, Wärmeversorgungsvertrag). Nicht umfasst sein sollen also alle sonstigen Dauerschuldverhältnisse, z.B. Fitnessstudioverträge, Unterrichtsverträge.
Ausnahmen von dieser Regelung
Der Gläubiger kann trotz Vorliegens der Voraussetzungen kündigen, wenn durch die Leistungsverweigerung des Verbrauchers die wirtschaftliche Grundlage des Gewerbebetriebs des Gläubigers gefährdet werden würde.
Führt die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts durch Kleinstunternehmen sowie kleinere oder mittlere Unternehmen für den Gläubiger zu einer Gefährdung des angemessenen Lebensunterhalts, des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen oder gefährdet es die wirtschaftliche Grundlage des Gewerbebetriebs, so kann der Gläubiger dennoch kündigen.
Für den Umstand, dass der Gläubiger trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Leistungsverweigerungsrechts kündigen durfte, ist der Gläubiger verpflichtet, die entsprechenden Umstände nachzuweisen. Gelingt ihm dies nicht, so besteht das Risiko, dass er sich schadensersatzpflichtig macht.
Erfüllung der Pflichten
Die vertraglichen Pflichten sind sodann nach Ablauf des Zeitraums, in welchem ein Leistungsverweigerungsrecht besteht, derzeit also nach dem 30.06.2020, zu erbringen.
Miet‑, Pacht- sowie Darlehensverträge
Nicht umfasst von den vorstehenden Ausführungen sind Miet‑, Pacht- und Darlehensverträge. Hierfür gelten Sonderregelungen.
Ann Kathrin Abt
Rechtsanwältin
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26.03.2020
Sonderregelungen für Verbraucherdarlehensverträge
Nach dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ sollen Zahlungspflichten aus Verbraucherdarlehensverträgen,
- die vor dem 15.03.2020 abgeschlossen worden sind und
- bei denen Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen zwischen dem 01.04.2020 und dem 30.06.2020 fällig werden,
gesetzlich um 3 Monate gestundet werden. Die Fälligkeit eines Zahlungsanspruchs wird somit um 3 Monate „hinausgeschoben“
Beispiel: Eine am 03.04.2020 fällige Zahlung wird bei einer 3‑monatigen Stundung erst am 03.07.2020 zur Zahlung fällig.
Voraussetzung dieser 3‑monatigen Stundung ist, dass der Schuldner (Verbraucher) infolge der COVID-19-Pandemie Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistungen nicht zumutbar ist. Nicht zumutbar ist dem Verbraucher die Erbringung der Leistung insbesondere dann, wenn sein angemessener Lebensunterhalt oder der angemessene Lebensunterhalt seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet ist. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ist eine Kündigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs, wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers (Verbrauchers) oder der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit bis zum Ablauf der Stundung ausgeschlossen.
Sofern für die Zeit nach dem 30.06.2020 keine einvernehmliche Lösung zwischen Darlehensgeber und Verbraucher (Darlehensnehmer) gefunden werden kann, sind die Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen wiederaufzunehmen. Damit aber in einer Übergangszeit bzgl. der laufenden und der gestundeten Raten keine „Doppelbelastung“ entsteht, wird der Vertrag kraft Gesetzes insgesamt um 3 Monate verlängert. Der Darlehensnehmer (Verbraucher) soll also auch nach Ablauf der Stundung monatlich nur 1 Rate weiterzahlen müssen. Eine Kündigung des Darlehens wird insoweit ausgeschlossen. Im Falle der gesetzlichen Verlängerung der Vertragslaufzeit um 3 Monate können zu Lasten des Verbrauchers Verzugszinsen, Entgelte oder Schadenersatzansprüche nicht entstehen, weil die 3‑monatige Vertragsverlängerung auf einer gesetzlich geregelten Vertragsanpassung beruht.
Da Dauer und Auswirkungen der COVID-19-Pandemie derzeit noch nicht hinreichend beurteilt werden können, soll die Bundesregierung ermächtigt werden, den Zeitraum der Stundung bis zum 30.09.2020 und die Verlängerung der Vertragslaufzeit bis zu 12 Monate erstrecken zu können.
Bzgl. Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Bundesregierung die vorgenannten Unternehmen durch „Rechtsverordnung mit Zu-stimmung des Bundestages“ in den Anwendungsbereich „Zahlungsaufschub für Verbraucherinnen und Verbraucher“ einbeziehen kann. Derzeit bzw. vorläufig sollen diese Unternehmen allerdings die sonstigen, für Unternehmen bestehenden, Hilfsangebote in Anspruch nehmen.
Volker Kreft
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Fachanwalt für Medizinrecht
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