Am 04.07.2019 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) geurteilt, dass das zwingende Preisrecht, z.B. die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI, gegen geltendes Europarecht verstößt. Die Bundesrepublik Deutschland (BRD) war daher verpflichtet, schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen. Hierzu wurde ein Gesetzesentwurf für die Änderung der bestehenden HOAI auf den Weg gebracht und am 16.09.2020 durch das Bundeskabinett beschlossen. Auch der Bundestag hat dem Entwurf zur Änderung des Architekten- und Ingenieurleistungsgesetzes (ArchLG) am 8.10.2020 zugestimmt, diese Anpassung ist für die geplante Neufassung der HOAI erforderlich.
Nach der wegweisenden Entscheidung des EuGH vom 4. Juli 2019 zum Verstoß gegen EU-Recht durch Mindest- und Höchstsätze hat der Gesetzgeber jetzt den Grundstein für die Änderung der HOAI gelegt. Auf Initiative der berufsständischen Vereinigungen wurde in § 1 Abs. 1 ArchLG die Formulierung „zur Ermittlung angemessener Honorare“ aufgenommen. Hintergrund ist der Wunsch, auch ohne Mindest- und Höchstsätze deutlich zu machen, dass sich qualitätssichernde und faire Honorare an den Vorgaben der HOAI orientieren.
Aus Sicht der Architekten und Ingenieure bedauerlich ist, dass die HOAI selber keine Regelung enthält, wonach vereinbarte Honorare einer Angemessenheitsprüfung unterliegen.
Dem Urteil des EuGH folgend wird es künftig keine verbindlichen Mindest- und Höchstsätze, also kein zwingendes Preisrecht mehr geben.
Die wichtigsten Inhalte:
- Mindest- und Höchstsätze fallen weg. Für den Fall, dass keine Honorarvereinbarung getroffen wurde, gibt es einen „Basishonorarsatz“, auf den zurückgegriffen wird und der dem bisherigen Mindestsatz entspricht.
- Die Honorartafeln werden beibehalten; sie haben in Zukunft aber lediglich Orientierungsfunktion.
- Basishonorarsatz und Orientierungsfunktion werden, anders als noch im ersten Entwurf des Gesetzes, in einem eigenständigen § 2a geregelt.
- Für Honorarvereinbarungen gibt es keine Beschränkung durch Mindest- oder Höchstsätze mehr. Es bleibt jedoch dabei, dass die Honorarvereinbarung Formvorgaben unterliegt. In Zukunft gilt hier die Textform. Gleichzeitig entfällt das Erfordernis der Vereinbarung „bei Auftragserteilung“. Dadurch sind nun auch Änderungen der Honorarvereinbarung – bei Wahrung der Textform – nach Vertragsabschluss problemlos möglich.
- Auch neu ist, dass eine solche Honorarvereinbarung nicht mehr in der Schriftform, d.h. mit Unterschrift, sondern lediglich in Textform geschlossen werden muss. Somit ist es zwar nicht möglich, eine Honorarvereinbarung mündlich zu treffen, sehr wohl aber kann dies per E‑Mail geschehen. Sollten die Vertragsparteien die vorgesehene Textform nicht einhalten, gilt automatisch ein Basishonorar als vereinbart. Das Basishonorar entspricht dann jeweils dem unteren Honorarsatz der jeweiligen Honorartafel. Das gilt jedoch nur für übernommene Grundleistungen
- Ob die Regelungen der HOAI gelten sollen, kann in Zukunft frei vereinbart werden. Es ist auch möglich, nur Teile der HOAI aufzugreifen oder aber diese im Ganzen heranzuziehen und im Einzelnen davon abzuweichen.
- Die bisherigen Fälligkeitsregelungen in § 15 HOAI entfallen. Entgegen dem Referentenentwurf wird der Paragraf aber mit einem Verweis auf die Regelungen in § 650g Abs. 4 und § 632a BGB erhalten bleiben.
- Neu ist auch die Hinweispflicht bei Verbraucher-Bauherren. Nach § 7 Abs. 2 des Referentenentwurfs zur HOAI müssen diese vor Vertragsschluss darauf hingewiesen werden, dass ein Honorar über oder unter den Werten in der Honorartafel vereinbart werden kann.
Die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze sind vollständig entfallen. Zwar bestehen noch Honorartafeln mit Honorarsätzen, die in untere bis obere Honorarsätze aufgeteilt sind, jedoch dienen diese Honorartafeln lediglich der Findung eines angemessenen Honorars. Die Vertragsparteien können sich daher in Zukunft frei aussuchen, ob sie ein Honorar ebenfalls vollständig frei vereinbaren wollen oder der Honorarberechnung das neue HOAI-Berechnungsmodell zugrunde legen wollen.
Der Gesetzgeber hat mit diesen Änderungen die Vorgaben des EuGH in einem absoluten Mindestmaß umgesetzt. Einen Rest verbindliches Preisrecht wollte er dabei nicht aufgeben, indem er eine Honorar-fiktion auf Grundlage des Basishonorarsatzes für unwirksame oder fehlende Honorarvereinbarungen geschaffen hat.
Es gilt also weiterhin uneingeschränkt die Empfehlung für Architekten, Ingenieure und Auftraggeber, möglichst schriftliche Verträge abzuschließen, um jegliche Auslegungskonflikte bezüglich des Leistungsumfangs sowie der entsprechenden Vergütung zu vermeiden.
Eindeutige Gewinner der neuen HOAI sind die Auftraggeber von Planungsleistungen. Ihnen stehen zukünftig deutlich mehr Spielräume für wirksame Honorarvereinbarungen zur Verfügung. Dies gilt für den Inhalt solcher Vereinbarungen, also insbesondere die Honorarhöhe, aber auch für den Zeitpunkt der Vereinbarung und deren Form. Die Gefahr, dass Honorarvereinbarungen unwirksam sind und Planer das Honorar nach den HOAI-Kriterien zum Mindestsatz berechnen können, ist nunmehr sehr gering. Das ist für Auftraggeber von Vorteil, da das Marktpreisniveau teilweise deutlich unter dem Mindestsatz liegt.
Ob Planungsbüros Verlierer der Neuregelung sind, wird die Anwendung der neuen HOAI zeigen müssen. Denn trotz der vermeintlich gewonnenen Freiheit durch die EuGH-Entscheidung lassen viele Auftraggeber weiterhin Honorarangebote von Architekten und Ingenieuren, die nach den Kriterien der HOAI ermittelt sind, zu oder verlangen solche sogar. Ob sich hieran etwas ändert, ist fraglich. Auch für den wichtigen Fall, dass keine Honorarvereinbarung getroffen wird, bleibt es bei der bisherigen Rechtslage: Es gilt der Mindestsatz als vereinbart.
Die neue HOAI soll am 01.01.2021 in Kraft treten. Sie wird also für Verträge ab diesem Datum gelten. Für alle vorher geschlossenen Verträge gilt die jeweils zur Vertragsunterzeichnung gültige HOAI. Für alle laufenden Verträge bzw. alle bereits laufenden Honorarstreitigkeiten gilt die alte Gesetzeslage unverändert fort. Hier besteht nach dem Urteil des EuGH sowie der uneinheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung in Deutschland Streit darüber, ob das verbindliche Preisrecht nicht mehr angewendet werden darf. Hierzu steht noch eine Entscheidung des EuGH aus. Für alle neuen Verträge ab dem 1.1.2021 hat sich diese Diskussion dann erledigt.
Bernd Morgenroth
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Schiedsrichter SOBau