BGH-URTEIL: AUFSTOCKUNGSKLAGEN ZU MINDESTSÄTZEN DER HOAI 2013
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BGH: Aufstockungsklagen auf Basis der Mindestsätze der HOAI 2013 zwischen Privaten sind möglich. Die Mindestsätze der HOAI 2013 zwischen Privaten sind verbindlich.
(Unter „Privaten“ sind nicht nur reine Privatpersonen gemeint, sondern auch Gesellschaften und Unternehmensformen aller Art. Es kommt nur auf die Abgrenzung zwischen privaten und öffentlichen Auftraggebern an.)
Nachdem bereits der EuGH in seinem wegweisenden Urteil vom 18.01.2022 verkündet hat, dass die Mindestsätze der HOAI zwischen Privaten weiter angewendet werden dürfen, wurde dies nunmehr auch vom BGH in einem bereits ausgesetzten Verfahren nochmals klargestellt.
Nochmals zur Erläuterung und Klarstellung:
Bereits seit Inkrafttreten der HOAI 1976 gab es eine, seit jeher immer wieder kritisierte, Besonderheit bei vereinbarten Honoraren unterhalb der Mindestsätze der HOAI. Der Architekt oder Ingenieur konnte nämlich häufig abweichend vom Vertrag mit geringeren Honoraransätzen die Mindestsätze fordern und sogenannte Aufstockungsklagen durchsetzen. Es gab sicherlich mögliche Ausnahmetatbestände wie Vertrauensschutz bei langjährigen Verträgen oder Rahmenverträgen u.a., dennoch war eine solche Möglichkeit immer wieder gegeben.
Diese Praxis wurde durch ein Vertragsverletzungsurteil des EuGH vom 14.07.2019 infrage gestellt, da ein möglicher Verstoß der HOAI 2013 gegen die Dienstleistungsrichtlinie festgestellt wurde.
Problematisch und heftig umstritten war jedoch, was mit den bis zum 31.12.2020 geschlossenen Verträgen passiert. Der BGH hat daraufhin ein Aufstockungsverfahren ausgesetzt und dem EuGH vorgelegt. Der EuGH hat dann in seinem wegweisenden Urteil vom 18.01.2022 festgelegt, dass die Dienstleistungsrichtlinie und die Grundfreiheiten der Anwendung des nationalen verbindlichen Preisrechts nicht entgegenstehen.
Nunmehr hat der BGH in diesem ausgesetzten Verfahren geurteilt und klargestellt, dass für alle im Geltungsbereich der HOAI 2013 geschlossenen Architekten- und Ingenieurverträge der verbindliche Preisrahmen aus Mindest- und Höchstsatz weiter gilt.
Sollte also in einem Verfahren mittels einer Aufstockungsklage die Differenz zwischen dem einstmals vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen verlangt werden und gibt es keine Ausnahme nach § 7 Abs. 3 HOAI 2013 oder aus Treu und Glauben, kann eine Aufstockungsklage in Altfällen daher durchaus erfolgversprechend sein.
Dies betrifft zahlreiche, insbesondere laufende Verträge.
Wichtig zu wissen:
Ab dem 1.1.2021 sieht die HOAI 2021 ein verbindliches Preisrecht nicht mehr vor, sondern nur noch eine bloße Preisorientierung und Auffangregelung bei fehlenden oder nicht schriftlich geschlossener Honorarvereinbarungen. Für ab diesem Zeitpunkt geschlossene Honorarvereinbarungen, die die Mindestsätze unterschreiten, gelten also die Besonderheiten der Rechtsprechung des EuGH und jetzt auch des BGH nicht!
Ergänzende Anmerkung:
Diese Entscheidung gilt für alle noch anwendbaren Fassungen der HOAI und bis einschließlich zum 31.12.2020 geschlossene Architekten- und Ingenieurverträge. Bei stufenweiser Beauftragung könnte dies auch für danach abgerufene Stufen gelten.In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass ein öffentlicher Auftraggeber, der einen privatrechtlichen Vertrag abschließt, im Sinne der Entscheidung als „Privatperson“ anzusehen ist.
Auftraggeber können außerdem nun Staatshaftungsansprüche gegenüber der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der unionsrechtswidrigen Ausgestaltung der HOAI prüfen (lassen). Die Prüfung und insbesondere die Durchsetzung sind jedoch recht komplex und überdies unsicher.
Wenn Sie als Auftragnehmer oder Auftraggeber Fragen zum Thema Aufstockungsklage oder Mindestsatzunterschreitung für Verträge haben, die bis zum 31.12.2020 geschlossen wurden, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.